Den ersten Schritt haben wir im Sommer getan: wir haben gemeinsam überlegt, welcher Kostenvorteil für die Firma entsteht, wenn ich auf meinen Dienstwagen verzichte. Er ist enorm. Und wenn ich mir statt des Autos eine Bahncard 100 leiste, die kostet immerhin 3.800 €, bleibt noch so viel übrig, dass es für Mietwagen, Taxis und gelegentliche Neubesohlungen der Schuhe locker reicht.

 

Die meisten Kilometer verheize ich auf der Strecke Berlin – Jena. Die wöchentliche Fahrt in die Firmenzentrale ist schon heute mit der Bahncard 50 etwa zur Hälfte der Kosten zurückzulegen, die ein bequemes Auto verursacht.

 

Und auch der zeitliche Mehraufwand hält sich in Grenzen: während ich mit dem Auto von Haustür zu Haustür 2:15 h unterwegs bin – voller Speed, da wo es erlaubt ist und diszipliniert gefahren, wo es die Schilder gebieten – benötige ich mit Zug, S- und U-Bahn gerade einmal 30 Minuten mehr.

 

Immer vorausgesetzt der Zug ist pünktlich und immer vorausgesetzt mir bleiben Staus und Pannen erspart.

 

Noch kniffliger waren die Überlegungen, welche praktischen Konsequenzen sich sonst für einen Alltag ohne Auto ergeben.

 

Hinter mir liegen 30 Jahre ohne und die letzten 20 Jahre mit Auto.

 

Ein Auto ist bequem. Es ist erstaunlich teuer, wenn man einmal alle Kosten kalkuliert. Ein Auto kann aber auch nerven: dröge Autobahnen, Staus, nächtliche Parkplatzsuche, Werkstattermine, Energie für konzentriertes und strafzettelfreies Fahren, gefrorene Scheiben, drängelnde Raser, Zeit an Tankstelle und Waschstraße, Ärger über Schrammen und Beulen von anonymen Verursachern, wie sie leider in Berlin an der Tagesordnung sind.

 

Manchmal war das Auto für uns wie ein Iglu. Draußen ist es kalt und regnerisch, drinnen sitzt die Familie warm und trocken und es läuft das Radio mit dem Lieblingssender. Man bewegt sich in völliger Autarkie. Hier ist er, der Gute, der mir seit mehr als 6 Jahren treue Dienste (von Beginn an mit Rußpartikelfilter) leistet:

 citroen-1-von-1.jpg

Zugfahren ist noch angenehmer. Es fährt die Landschaft. Ich kann arbeiten, lesen und die neuesten Podcasts hören.

 

Trotzdem: für Transporte aus Baumarkt und IKEA oder den zweiwöchentlichen Großeinkauf ist das eigene Auto nicht zu unterschätzen. Dafür einen Mietwagen chartern oder ein Taxi bestellen, das kann ich mir – zumindest jetzt – noch nicht vorstellen.

 

Und wohin mit der Ausrüstung bei anspruchsvolleren Fotojobs? Alles in den Rucksack?

 

Mietwagen heißt immer: buchen, abholen, Formulare ausfüllen, betanken, abgeben.

 

Carsharing bedeutet fast den gleichen Aufwand wie Mietwagen. Mit dem Nachteil, dass Einwegmieten in den meisten Fällen nicht möglich sind. Die meisten Car-sharing-Anbieter haben darüber hinaus wenig transparente Tarife: eine monatliche Pauschale, Kilomtergeld und Zeitpauschale. Das ist ein aus Betreibersicht vernünftiger Mix. Doch für den Nutzer sind exakte Nutzungsplanung für die einzelne Fahrt (Wie weit? Wie lange?) und Prognosen über den zukünftigen durchschnittlichen Nutzungsumfang (wegen der Monatspauschale) erforderlich, wenn er z.B. kalkulieren will, ob nicht eine gelegentliche Mietwagenbuchung doch die günstigere Alternative ist.

 

Wir haben stattdessen mit Freunden einen Vertrag geschlossen, welcher die gelegentliche – aber eben durchaus auch spontane – Mitbenutzung von deren Auto regelt. Es sind die benachbarten Betreiber eines Restaurants, deren Auto die meiste Zeit auf der Straße steht und eigentlich nur an den Vormittagen für die Warenbeschaffung benötigt wird. Und dann gibt es noch die sieben anderen Dienstwagen, die tagsüber in Jena auf dem Parkplatz stehen und die ich mir ohne große Formalitäten borgen kann, wenn ich in Thüringen ein Auto brauche.

 

Und den Rentnerporsche für den Weg in die Kaufhalle an der Ecke, oder das Lastenfahrrad. Aber die Trolleys, die es zu kaufen gibt, sind entweder extrem hässlich oder eher was für snobistische Flughafenschnösel mit Managergepäck.

 

Lastenfahrräder wiederum sind heutzutage so konstruiert, dass sie sich mit steilen Kellertreppen und zarten Damenhänden nicht recht vertragen wollen.

 

Und wie gestalten sich unsere zukünftigen Urlaube?

 

Unsere favorisierte Form des Urlaubes ist der Wohnungstausch. Der führte uns bisher überwiegend in europäische Großstädte. Die sind auch zukünftig mit Billigflieger und Bahn zu erreichen. Und auch in der Vergangenheit haben wir uns bei Auslandsaufenthalten vor Ort einen Mietwagen genommen. Also kein wirkliches Problem.

 

Was mir sonst noch an pro und contra durch den Kopf geht:

 

Die Züge der Bahn werden tendenziell voller, vor allem dann, wenn ich unterwegs bin, also am Morgen und am späteren Nachmittag.

 

Noch nerviger ist ein voller Zug mit Nachbarn im Abteil, die ungehemmt labern, laut telefonieren oder durch andere Geräusche (Schnarchen, Naseschniefen usw.) belästigen.

 

Nichts ist cooler als mit einer Bahncard 100 einfach in einen x-beliebigen Zug einzusteigen ohne zuvor eine Fahrkarte kaufen zu müssen. Was auch im Preis der BC 100 inbegriffen ist: der Nahverkehrstarif von 118 Großstädten in Deutschland.

 

Doch ausgerechnet in Berlin gilt die BC 100 nur innerhalb des S-Bahn-Ringes. Da hinzukommen würde mich zwingen, jedes Mal ein Kurzstreckenticket (1,30 €) zu kaufen. Oder ich müsste zur nächsten S-Bahn-Station laufen, denn die wird wieder von der Bahn betrieben.

 

Ich habe mir vorgenommen, die Verkehrszeichen des Bahnbetriebes auswendig zu lernen. Ich will die Sprache der Lokführer verstehen, wie mein Großvater auch: Entfernungsangaben, Warnungen, Gebote, Verbote, die seit Jahren mit den Bahnstrecken an mit vorüberrauschen.

 

So viel zu meinem Vorgeschmack. Ab November wird es ernst.