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Da Lat

Da Lat wird in den Reisführern hoch gelobt. Genau deshalb sollte man eigentlich skeptisch werden. Der Ort wurde vor ca. 120 Jahren erst gegründet. Wegen der frischen Waldluft und der Höhenlage auf 1.500 m zogen die Franzosen als Kolonialherren hier in die Sommerfrische. Und der letzte Kaiser von Vietnam ließ hier eine Sommerresidenz bauen. Mit viel Aufwand wurde eine Bahnlinie angelegt, die wegen der starken Steigungen über weite Strecken als Zahnradbahn ausgeführt werden musste.

Wer aber auf die Reise hierher geht und mit dem Bus an zahlreichen Erdrutschen vorbei die Serpentinen nimmt, endlose Reihen von Folienzelten und Kaffeesträuchern passiert, der landet in einer kleinen Hölle aus Mopedlärm und Abgasmief, in der ca. 200.000 Menschen leben. 90 % der Häuser sind irgendwie Hotel, Restaurant oder etwas anderes für Touristen. Der Markt quillt über mit dem, was es in allen Städten des Landes gibt. Immerhin sorgen die Backpacker dafür, dass es abends etwas länger hell ist.

Aber es gibt eine französische Hinterlassenschaft, die trotz all dem Enttäuschungspotenzial einen Besuch wert ist. Das sind einige architektonisch bemerkenswerte Gebäude. Das wohl bekannteste ist die Sommerresidenz, gebaut von 1933 bis 1937 im Art Deco Stil. Die gesamten Räume, die noch bis weit in die Fünfziger Jahre von der Fürstenfamilie genutzt wurden, sind sehr gut erhalten, als wäre der Hausherr gerade erst verschwunden. Offenbar wurde nie ernsthaft renoviert, was dem Gesamtkonzept der Räume gut getan hat. Hier einige Eindrücke:

Verlässt man den Hügel mit der Residenz, steht man bald der im gleichen Stil erbauten Fasse des Pasteur-Institutes gegenüber. Auf dem Weg zurück in die Stadt habe ich zwei weitere gut erhaltene Villen im Art Deco Stil gefunden.

Immer mal wieder sieht man bei (vermutlich) jüngeren Bauten auch Zitate aus dem Art Deco-

Eine recht bekanntes Highlight ist der Bahnhof. Auch er ist gut erhalten. Allerdings haben die Kulturbanausen der Gegenwart ausgerechnet in der historischen Bahnhofshalle einen überdimensionierten Souvenierladen mit monströsen Kitschmöbeln aufgemacht. So viel zum Denkmalschutz in Vietnam.

Auf dem Weg zwischen Bahnhof und Innenstadt kann man, etwas zwischen Bäumen versteckt, ein Hotel besichtigen (noch in Betrieb), welches ebenfalls Einflüsse des Art Deco zeigt.

So viel zu Da Lat. Wer aber glaubt, hier  in den Bergen wandern zu können, muss wieder irgendwelche Exkursionen buchen oder den langen Weg durch die Vororte nehmen, um ein wenig Wald zu sehen.

Glaube und Tod

Wir haben es uns zur Tradition gemacht, bei jedem längeren Besuch einer Stadt oder gar eines fernen Landes einen Friedhof zu besuchen. Hier in Vietnam ist man quasi ständig zwischen Friedhöfen unterwegs, wenn man die größeren Städte verlässt. Die Toten wurden früher auf bzw. zwischen den Reisfeldern bestattet. Oft sind noch sehr schöne Grabmale erhalten, daneben oft auch jüngere Gräber.

Stehen die Reisfeler unter Wasser, ragen die Gräber wie kleine Inseln hervor. Die Toten sind in Vietnam allgegenwärtig. Es gibt sogar die etwas seltsame Tradition, die Bestatteten nach drei Jahren feierlich zu exhumieren. Dann werden nicht verweste Weichteile von den Knochen entfernt, so dass das verbleibende Skelett auf kleinem Raum erneut bestattet werden kann. Was früher die Familie erledigte, machen heute Profis der kommunalen Friedhöfe, wenn man sich diesen Service denn leisten kann. Langsam setzten sich aber auch Feuerbestattungen durch und auch die Reisfeldbestattung weicht geordneten Friedhöfen am Rande der Siedlungen.

Eine Totenfeier, Bestattung kann man das kaum nennen, geht über mindestens zwei Tage und wird von andauernder tragischer Musik begleitet, die wir auf dem Lande bei Tam Coc vernehmen konnten, wo so bis in die Nacht das ganze Dorf beschallt wurde.

Bild oben: Leichenwagen und Leichenzug.

Immerhin: ähnlich pompös fallen auch die Hochzeiten aus. Unten der Pavillion einer Hochzeit auf dem Dorf am Tage danach.

Das, woran die Vietnamesen glauben, geht kunterbunt durcheinander. Natürlich gibt es überall buddhistische und taoistische Tempel. Viele hervorragend restauriert, einige schlicht bewohnt von Menschen, die sich gleich auch um deren Unterhalt kümmern.

Oben: einige Eindrücke aus dem taoistischen Quan Thanh Tempel in Hanoi. Unten: ein „Familientempel“ in der Altstadt von Hanoi und ein kleiner Tempel am Rande eines Dorfes bei Tam Coc.

Überigens sind die vermeintlich chinesischen Schriftzeichen an den Tempeln die alte vietnamesischen Schriftsprache, die vor ca. 200 Jahren schrittweise durch eine dem lateinischen ähnliche Schrift abgelöst wurde, wohl vor allem durch den Einfluss französischer Kolonialherren. wer an gar nichts glaubt, verehrt immerhin die Ahnen. Oder Onkel Ho.

Aber der Staat investiert offenbar auch in die Volksseele, wie z.B. hier, mit dem größten buddhistischen Tempel Ostasiens, der zwischen 2003 und 2010 in Bai Dinn errichtet wurde. Bilder unten.

Es ist ein gigantischer historistischer Fake, mit internationalem Stiftungsgeld gebaut, der zuweilen Züge einer Parteitagsarchitektur trägt. Aber auch die Katholiken haben einen Fuß in der Tür. Neben pompösen Kirchenneubauten gibt es auch eine feste Weihnachtstradition.

Krippenhöhle auf dem Dorf.

Jesus, frisch gekreuzigt.

 

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