Autor: Eric Pawlitzky

Der vorliegende Blog ist unser Reisetagebuch. Per email sind wir unter ericpawlitzk(at)web.de zu erreichen.

Von Nairobi nach Mombasa

Am Sonntagmorgen (08.10.2017) das Porträt von Richard, dem Restaurantbesitzer. Es sind noch nicht viele Gäste da, ich warte an einem Tisch die übliche halbe Stunde, die man wartet,wenn man in Kenia zu einer bestimmten Uhrzeit verabredet ist.

Während des Shootings ist Richard ein wenig angespannt, er hat kein Gramm Eitelkeit, kommt extrem souverän rüber. Ich werde ein wenig nervös als sich das Restaurant füllt. Nachdem ich mein Licht abgebaut habe, sitzen wir noch ein wenig zusammen. Er fragt noch mal, was ich eigentlich mache, was ich mit den Bildern will usw. Tja und dann die Einladung auf seinen Bauernhof, mit dem er das eigenen Restaurant versorgt.

Um 15.00 h soll ich ins Restaurant kommen. Gegen 15.30 h bestelle ich mir leicht entnervt was zu Essen. Immer wieder sprechen mich die Kellner freundlich an und bitten um weitere Geduld. Gegen vier ist Richard dann endlich da. Wir verlassen das Restaurant durch den Hintereingang und stehen vor einem klapprigen Toyota Kleinlaster. Ich nehme im Fahrerhaus Platz, es riecht schon deutlich nach Bauernhof. Richard verschwindet wieder und es werden noch Säcke mit Küchenabfällen von einem der 47 Angestellten, die er im Restaurant und auf dem Hof beschäftigt, auf die Ladefläche gewuchtet. Dann rattern wir los. Die Fenster halb geöffnet durch die Hochhausschluchten, dann die Hügel hinauf. Mit der zunehmenden Entfernung zu Stadt werden die Straßen schlechter, nach jedem Abbiegen wächst das Desaster. Inzwischen müssen wir beide fast brüllen und ich verstehe in dem ganzen Lärm immer nur 80% von Richards Englisch mit Keniaakzent, rufe immer mal wieder freundlich „Yeah“, wenn ich glaube, dass ich dem Gesprochenen bedenkenlos zustimmen kann. Aber wir lachen viel und und es gibt trotz all des Wirrwarrs der Geräusche das Gefühl, das wir eine gewissen Seelenverwandtschaft haben.

Dann stehen wir vor einer gigantischen blühenden Hecke und Richard hupt, Hunde bellen, das eiserne Tor geht auf. Ich steige aus dem Fahrerhaus und bin umringt von neugierigen Ziegen, Schafen, Hunden. Der Hof ist zugebaut mit zahlreichen Käfigen, ein einziges Gekläffe, Geblöke und Gemeckere, man muss aufpassen, wo man hintritt, alle Viecher rennen durcheinander.

Wir klettern eine Stiege hinauf und betreten Richards Haus. Judith, seine Frau ist sichtlich begeistert, als ich aus meinem Rucksack eine schwarze Damenstrumpfhose und zwei kleine Tuben mit Creme auspacke. Das Gegengeschenk, eine großen geflochtenen Kord, kann ich ihr mit Ach und Krach ausreden. Auch wenn sich Claudia riesig gefreut hätte, er wäre in meinem Gepäck einfach zerquetscht worden. Das Haus ist ganz aus Brettern gebaut, innen mit Sperrholz verkleidet, macht einen ordentlichen Eindruck, ist gleichwohl nur ein Provisorium, denn das eigentliche Bauernhaus harrt nach dem Abriss der Neuerrichtung.

Vom Wohnzimmer hat man einen schönen Blick über ein kleines Tal, wo sich zwischen Bäumen zahllose Gemüsebeete hinziehen, Richards Ranch. Judith lehnt sich aus dem Fenster wie ein Kapitän von der Brücke.

Nach dem obligatorischen Tee gibt es eine Führung über den Bauernhof. Richard geht so lange duschen. Mit Judith stolpere ich durch ein verwinkeltes System von Schweinekoben, Rinder- und Ziegenställen, die sich unterhalb des Hauses den Hang hinunterziehen. Über allen thront das Holzhaus wie eine mittelalterliche Burg. Die Gülle aus den Ställen fließt durch ein dickes Betonrohr direkt in kleine Gräben neben den Feldern. Das ist gemeint mit „Bio“. Der Einsatz von Dünger ist überflüssig, wird mir erklärt. Am Tiefpunkt des Bewässerungssystems befinden sich zwei große grüne Löcher, die Karpfenteiche. Und tatsächlich, als wir vorbeigehen zappelt etwas unter dem dicken Linsenteppich. Mechanisiert ist hier abgesehen von dem Auto nichts. Lediglich eine Motorpumpe wird benutzt, denn unten im Tal ist noch ein kleines Staubecken mit braunem Wasser aus dem zur Zeit ausgetrockneten Bach.

Judiths Farm, hinten am Hang das Bauerhaus

Judith ist Richards zweite Frau. Er ist geschieden, aber zur Ex besteht ein entspanntes Verhältnis und Judith erzählt, dass sich auch die Frauen ganz gut verstehen. „Geht ja auch nicht anders, wenn praktisch jeder mit jedem irgendwie verwandt ist in den riesigen Familien“, erklärt Judith. Familie und Kinder ist ein Thema, das immer geht in Kenia. Mit drei Söhnen bin ich glücklicherweise schon in dem Bereich, wo man sich eine gewisse Achtung erarbeitet hat.

Wir machen noch ein paar Bilder auf dem Hof und zwischen den Ställen. Dann wird es stockdunkel. Auf dem spärlich beleuchteten Hof wendet Richard den Kleinlaster, ich bin ein wenig platt von all den Eindrücken, und als wir zurückfahren reden wir nur wenig. Aber dann, wir sind immer noch in der Gegend, in der die Piste holprig ist, hält Richard plötzlich vor einem schmiedeeisernen Tor. Ein uniformierter Wachmann lässt uns ein, wir fahren eine Allee entlang und parken vor einem imposanten Wohnhaus, eine Mischung als Neureich und Italien, könnte auch in Bayern auf dem Dorf stehen. Ich verstehe nicht ganz , was jetzt ansteht, Richard will mich einem Freund vorstellen. Der ist aber nicht da. Wir werden von einer älteren Dame in Küchenkluft empfangen, die uns ins Wohnzimmer bittet und sofort anfängt zu kochen.

Jetzt sitzen wir in bereiten Ledergarnituren auf Edelholzparkett, nichts sieht billig aus, auch wenn ein wenig Geschmacksverstärker gut tun würde. Es wird Essen für gefühlte zehn Personen aufgefahren, Reis, Gemüse, Bohnen, Bananen, Tee. Richard und ich essen, dann wieder warten.

Gerade ist Richard fertig, mir alle Verästelungen eines bizarren Nachbarschaftsstreites zu erzählen, da rasseln die Schlösser und herein spaziert ein quicklebendiger Herr, angezogen wie ein etwas aus der Mode gefallener Filmstar: weißer Anzug, roter Schal, Hut. Richard stellt mich als seinen deutschen Bruder vor. „Dann bist du jetzt auch mein Bruder“, sagt Charles und umarmt mich.

Dann nimmt Charles in einem geschnitzten Sessel Platz wie ein König. Zum bestimmt zehnten Mal in den letzten vier Tagen werde ich aufgefordert, mal kurz mein Leben zu erzählen. Dann geht es ums Geschäft. Charles besitzt mehrere Hotels, in denen ich natürlich zukünftig jederzeit kostenlos mit meiner Frau übernachten kann ,soll einfach anrufen. Eine seiner Töchter, die demnächst in Kenia einen Deutschen heiratet, braucht einen Hochzeitsfotografen, kann ich ja gleich mit machen. Aber Charles hat mehrere Lizenzen für den Bau von Wind- und Solarparks in Kenia erworben, die nötigen Grundstücke sind gekauft … der Rest der Geschichte ist Mandantengeheimnis.

Ziemlich baff steige ich etliche Umarmungen später kurz vor Mitternacht wieder in Richards Auto.

Im Hotel packe ich meinen Kram zusammen, dort wo die Jacke das Tshirt nicht bedeckt, hat sich ein bräunliches Dreieck aus Staub gebildet. Unter die Dusche, Wecker stellen, fertig.

Montag (09.10.2017)

Den Wecker hätte ich mir sparen können, das Fenster war angelehnt und der Muezzin hatte um 5.00 h Schichtbeginn.

Also stand ich schon um 6.00 in der Lobby unten, eine halbe Stunde eher als geplant. Eine SMS und siehe da: Allan, mein Taxifahrer war schon in der Nähe. Als ich ihm auf dem Weg zum Bahnhof den gestrigen Tag erzähle muss er lachen: Charles und Richard sind seine Freunde, er geht jeden Tag in Richards Restaurant essen.

Die Autobahn, die Flughafen und Bahnhof mit der Innenstadt verbindet, hat so gut wie keine kreuzenden Brücken, kaum halblegale Wendestellen. Also fahren wir frisch an dem Stau vorbei, der sich Richtung Innenstadt wälzt, passieren zu meinem Erstaunen Bahnhof und Flughafengelände, um dann zu wenden und in genau dem Stau zu stehen, an dem wir gerade vorbeigefahren sind. Also: halbe Stunde bis zur Wendestelle, eine Stunde im Stau von der Wendestelle zum Bahnhof. Kurz nach 7 am Bahnhof

Auf einem großen Parkplatz eine Schlange mit Passagieren und Koffern, ich stehe ausgerechnet neben zwei blöden Briten aus dem Hotel, die sich von zwei gewollthübschen jungen Kenianerinnen begleiten lassen. Sie texten mich mit irgendwelchem blöden Brexitshit zu, als sie meinen Europasticker am Revers sehen und gucken ein wenig neidisch, als ich die Frage, ob ich auch Urlaub mache, verneine und erzähle, was hier mein Job ist. Ich stelle mich leiber zu den Kenianern als wir aufgefordert werden, alle unsere Gepäckstücke in eine lange Reihe auf den Boden zu stellen. Es sieht ein wenig aus wie ein Kartoffelacker mit Menschen dazwischen. Dann kommen Hunde vorbei und schnüffeln nach Drogen. Einer der Briten springt nervös zur Seite, ein Hund pinkelt an einen Koffer.

Dann vorbei an Wachleuten, die Tickets und Pässe kontrollieren. Dann wieder eine Schlange an der Gepäckdurchleuchtung in Zelten auf dem Parkplatz. Mein großer Koffer mit dem Blitzkram ist natürlich fällig.

Dann an den nächsten Wachleuten vorbei, denn jetzt geht es auf das eigentliche Bahnhofsgelände. Wieder Ticket und Pass. Dann der Eingang in das Bahnhofsgebäude: wieder Ticket und Pass. Im Bahnhof wieder Sicherheitskontrolle und Gepäckdurchleuchtung, dies mal darf mein Koffer durch.

Nur so viel: auch beim Betreten des Bahnsteigs und beim Einsteigen in den Waggon werden Tickets und Pässe kontrolliert. China ick hör dir trapsen. Und tatsächlich sagt doch der Chinese am Bahnsteig, der mein Ticket kontrolliert „Tsai tien!“, als begänne hier chinesisches Gebiet.

Einziger Trost: die Stewardessen in den Waggons. Da hat man offenbar wochenlang Schönheitswettbewerbe unter den erlesensten Massaitöchtern gemacht. Die Damen allerdings machen dann währen der Fahrt nicht anderes, als ab und zu mit Müllsäcken rumzurennen und mit feuchten Wischmops durch die Gänge zu schlenkern, wobei sie auch noch die beiden Tarnjackentypen die mit Maschinenpistolen den Zug auf und ab laufen, bei der Arbeit stören,. Abfallbehälter haben die Chinesen in ihren Waggons gespart, das machen die Stewardessen. WLAN wollen wir mal nicht gleich erwarten.

Die einspurigen Gleise rumpeln wie in den sechziger Jahren. Wer weiß, vielleicht verkraften verschweißte Schienen das Klima nicht. Der Zug ist vorn mit einer Diesellok bespannt. Aus irgendeinem Grund (Getriebeprobleme?) werden die Waggons regelmäßig mit einem Rums nach vorne geschleudert, als hätten wir eben einen Elefanten überfahren. Am Zugende hängt ein Waggon mit einem gigantischen Kühlaggregat, den ich anfangs für eine zweite Diesellok hielt. Der Mann , der dort arbeitet , ist ein Chinese, und der auf der Lok vermutlich auch. Der Zug rollt mit bescheidenen 91 km/h durch gelb vertrocknete endlose Savannen, begleitet von Stacheldrahtzäumen, die wohl Wildunfälle verhindern sollen oder sonstiges Überqueren der Gleise. Ich frage mich, wie außer an den wenigen Brücken die Bahn überhaupt gequert werden kann. Dass ein wichtiger Nationalpark mit dieser schnurgeraden Schneise durchschnitten wird, wird im Waggon auch noch stolz über Lautpsrecher angesagt. Da blicke ich schon ab und zu etwas neidisch auf die Gleise der alten Schmalspurbahn nebenan, die sich harmlos durchs Gelände schlängelt und auf der jetzt leider nur noch Güterzüge fahren. Aber unser Zug ist voll klimatisiert, von den 35°C draußen merkt man nicht viel.

Außer meiner Malariatablette habe ich heute noch nichts gegessen. Auf dem Bahnhof kein einziger Kiosk. Scheitert bestimmt an den Sicherheitsbestimmungen. Als ich gegen 11 frage, ob in den Waggons der ersten Klasse irgendwas serviert wird (ich könnte ja was kostenloses verpassen), werde ich enttäuscht. Also trabe ich in Wagen 5 zum Restaurant. Dort sitzen die Typen mit den Kalaschnikows und auch sonst viel fröhliches Volk.

Das Ticket für die erste Klasse kann man sich sparen, zumindest dann, wenn man rechtzeitig bucht und eines für die zweite Klasse bekommt. Gleichwohl: die Bahn ist in Kenia ein Erfolg, kein Vergleich zu den Überlandbussen. Und der Umstand, dass der Zug komplett ausgebucht ist, spricht für sich. Jetzt kommt noch ein Polizist. In blau und auch mit Knarre.

Draußen laufen die Straußen. Elefanten suchen Hydranten. (Wirklich! Gucke gerade aus dem Fenster!)

Und das übermüdete Balg zwei Reihen vor mir hat endlich aufgehört zu plärren.

In Nairobi mit dem Projekt „african economy“

Als ich am Donnerstag (5.10.2017) meine kenianische SIM-Karte aufladen lassen wollte, ging das nicht mehr, denn die Nummer war längst neu vergeben worden. Also eine neue beantragen. Dann fragte die Dame von SAFRI.com , wann ich denn eingereist sei. „Gestern Abend“, antworte ich. „In Ihrem Pass fehlt der Einreisestempel.“ Ich blätterte im Pass herum – und tatsächlich, nix zu finden. Die Dame machte nach einigem Zögern ein Porträt von mir, installierte die SIM-Karte, fertig.

Zurück im Hotel rufe ich die Botschaft an, ob ich irgendwelchen Ärger bekommen könnte, wenn kein Einreisevermerk im Pass ist. „Ja“ war die Antwort. „Sie müssen zur Einreisebehörde gehen und den Pass ergänzen lassen.“ Zum Glück war diese Behörde nicht weit weg vom Hotel und – wieder Glück – als ich das Foyer betrete, begrüßt mich Ben, ein Facebook-Freund aus Nairobi. Er war zufällig in der Nähe und fuhr mich mit seinem Auto zum „immigation office“. Eine 100m lange Schlange am Seiteneingang hat mir erst mal einen Schreck eingejagt. Als ich aber am Haupteingang des Gebäudes einen uniformierten Wachmann mit meinem Problem konfrontierte, nahm der mich kurzerhand mit sich und wir gingen um das Gebäude herum zu einem weiteren Eingang. Dann ging es von Schalter zu Schalter bis wir vor einem Büro warten mussten.

Die Dame dort bat mich Platz zu nehmen, hörte sich die aus ihrer Sicht unglaubliche Geschichte an, schaute auf ihren Rechner, bis sich da plötzlich mit meiner weißen Brille auf dem Flughafen zu sehen war, wie ich vor dem Einreiseschalter stehe. Sie murmelte etwas zu meinem Begleiter, der mich darauf hin wieder an wartenden Menschen vorbei zu einem vergitterten Schalter schleppte. Der Mann dort nahm meinen Pass, verschwand und kam wieder mit der Ansage, ich müsse zurück zum Flughafen, das bei der dortigen Einreisebehörde regeln, er könne nichts für mich tun.

Eine Halbe Stunde war so verstrichen. Als ich meinem Begleiter ein kleines Trinkgeld in die Hand drücken wollte, lehnte dieser kategorisch ab.

Also zum Taxistand in der Nähe und auf zum Flughafen. Allan, mein Taxifahrer, ist ein netter Typ. Wir unterhalten uns über Kinder und das Leben, einer seiner Söhne studiert in den USA. Er ist 71, ehemaliger Banker, und noch top fit. Am Flughafen bittet er um die Rücktour und wartet auf mich, denn ich will noch zum Bahnhof.

Das Flughafengelände ist riesig. Wo ist die Einwanderungsbehörde? Ich frage kurzerhand eine Frau mit gelber Jacke und einem offiziell aussehenden Anhänger am Halsband. Wenig später habe ich auch so ein Halsband. Sie nimmt mich mit in ein Büro, wo mir erklärt wird, dass ich nicht so einfach in das Büro der Einwanderungsbehörde gehen darf. Das öffentliche Büro ist nämlich in der Stadt, dort wo ich gerade war. Mit dem speziellen Halsband soll ich mich bei der Gepäckabfertigung melden. Sicherheitscheck, dann großes Erstaunen – wie bin ich bloß ohne gültiges Einreisevisum bis hierher gekommen? Dann stehe ich wieder an dem Schalter, an dem ich am Tag zuvor hätte den entscheidenden Stempel bekommen müssen.

Großes Hallo, ja, das kann schon mal passieren, wenn abends ein Flugzeug mit vielen Leute kommt, dass dann der Beamte etwas unkonzentriert ist. 10 Minuten später habe ich dann einen schönen, offiziellen Aufkleber in meinem Pass. Alles gut.

Mit Allan zum Bahnhof. Er kennt sich zwar seit frühester Kindheit in Nairobi aus, aber an dem neuen Bahnhof, gleich bleim Flughafen, war er noch nie. Er fährt erst mal zum alten, wo uns dann erklärt wird, wo der neue ist. Alles gut. Es gibt 10 Fahrkartenschalter, fünf sind offen, aber ich muss mich an einer Schlange anstellen, während an den anderen Schaltern einzelne Leute bedient werden. Vermutlich haben die Sprechzeitreservierungen. Aber nach 10 Minuten bin ich dran und bekomme tatsächlich das Ticket, welches Tom aus Mobasa für mich elektronisch reserviert und bezahlt hat.

Mit Allan wieder ab auf denDauerstau, Inzwischen ist es 15 h. Ich will noch zur Filmbehörde, brauch eine Fotografielizenz. Allan setzt mich dort ab und sagt, wo er auf mich warten wird. Am Eingang des Hochhauses kennt keiner die Filmlizenz. Die Adresse habe ich am Morgen frisch aus dem Internet gefischt. Aber ich darf im Ministerium für Kultur und Information vorsprechen. Vorher Sicherheitskontrolle, Eintragen ins Besucherbuch. Die Damen und Herren im 9. OG erklären sich natürlich nicht für wirklich zuständig, sind aber nett, telefonieren ein wenig und schicken mich dann in ein anderes Hochhaus, ca. 600 m entfernt.

Ich gehe zu Allan, sag ihm, das ich das Stück laufen werde, aber er soll kommen, wenn ich fertig bin, und mich zurück ins Hotel fahren. Nach einigem Suchen finde ich den richtigen Eingang, Sicherheitskontrolle, eintragen ins Besucherbuch, 15. Etage.

Ich erzähle meine Geschichte, die entscheidende Bearbeiterin ist aber in einem anderen Gebäude. Einen erneuten Umzug lehne ich ab. Na gut, sich soll warten bis der Chef aus einer Besprechnung zurück ist. Ein Mann mit der Statur eines Gorillas kommt endlich den Flur entlang, alle springen hektisch auf, ich darf ihm in sein Büro folgen.

Bedächtig schaut er meinen Antrag an, fragt dies, fragt jenes, telefoniert und erklärt schließlich, dass er nichts für mich machen kann. Ich müsse leider einen Filmagenten beauftragen. Das ginge dann aber ganz schnell.

Mit Allan zurück ins Hotel. Dort im Rechner das Verzeichnis der offiziellen Filmagenten durchsehen. Ich rufe ca. 5 an, oft stimmen die Telefonnummern nicht, manche gehen nicht ans Telefon oder sagen, ich solle später noch mal anrufen (kommen aber nicht auf die Idee, zurückzurufen). Schließlich lande ich bei Isabel. Sie will sich kümmern, schickt mir ihre E-mailadresse und bittet mich, ihr alles, was ich schon habe, elektronisch zu übermitteln, dann wolle sie mir ein Angebot machen und wir verabreden uns für Freitagmorgen im Hotel.

Dann gehe ich erst mal fotografieren. Die Freunde vom Benseht plus fitness center. Das ist wiederum nicht sehr weit vom Hotel entfernt, denke ich und nehme mir ein Taxi. Inzwischen ist es dunkel und draußen tobt immer noch die ewige rush hour. Als wir an der vermeintlichen Adresse ankommen, ist von Fitness nichts zu sehen. Ich rufe an. „Oh, sorry, das ist die alte Adresse, die da auf der Facbookseite steht. Wir sind umgezogen nach Kasarani.“

Der Taxifahrer macht gleich mal eine andere Preisansage, denn das ist 10 km entfernt. Wir fahren und stehen los, aber er biegt auf Schleichwege ab und wir kommen in tiefster Dunkelheit an einem verkehrsumtobten Platz an, warten vor einer Bank. Endlich werde ich abgeholt. Es geht durch spärlich beleuchtete Gassen und schließlich begrüßt mich Ben, entschuldigt sich für den kleinen Marketingfauxpas. Wir kletter bis unters Dach eines kleineren Gebäudes und auf bescheidenen 30 qm offenbart sich eine grellbunte Welt voller fröhlicher Menschen mit dröhnender Musik.

Dann macht alles Spaß, es gibt mit viel Gelache ein gutes Bild. Und Ben fährt mich sogar wieder ins Hotel.

Ben ist 35, arbeitet bei einem Energieversorger. Er ist quasi ein Businessangel und hat sich an dem Studio beteiligt, seine Partner sind Mitte zwanzig. Irgendwann soll sich das Studio in eine Kette, in ein Franchisemodell verwandeln.

Am Abend bin ich mit dem Tag trotz aller Wirrnisse doch recht zufrieden.

 

Der Freitag beginnt etwas trübe. Morgens gegen 4 werde ich vom Muezin geweckt, gleich neben dem Hotel ist eine große Moschee. Richtig munter werde ich, als Isabel die Rechnung für die Film-Lizenz präsentiert. Allein 1.800 US $ soll ich für den Assistenten bezahlen, den ich doch ganz gewiss benötige. Und noch mal 200 US $ für kleine Recherchen. Diese Positionen kann ich ihr zum Glück ausreden. Wir landen bei 450 US $. Ich kann sie überreden, 200 € und 200 $ zu nehmen, dank des guten Eurokurses spare ich so wenigstens etwa 12 €.

Dann sitze ich in meinem Hotelzimmer, versuche, mich mit irgendwelchen größeren Firmen zu verabreden, die ich noch in Deutschland im Internet recherchiert habe. Aber es ist immer das gleich: Telefonnummern stimmen nicht, gewünschte E-mails zur Beschreibung dessen, was ich will, werden nicht beantwortet.

Dann dringt noch mehr Lärm als vorher durch das angelehnte Fenster: Trillerpfeifen, Hupen, Geschrei und schließlich Schüsse. Ich gucke aus dem Fenster, unten auf der Kreuzung zwei Uniformierte mit Kalaschnikows im Anschlag. Lkws und Jeeps mit Uniformierten fahren vorbei, rings auf den Hausdächern neugierige Beobachter, Leute rennen hektisch die Straße entlang, andere schauen dem Treibe gelassen zu. Am Abend zuvor hat mich ein Freund per E-mail gewarnt, heute das Hotel nicht zu verlassen. Ich schalte den Fernseher an und es wird life berichtet von einer Demonstration vor dem Büro der nationalen Wahlkommission, die wohl etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Abend dann erfahre ich im Aufzug von Kenianer, dass wohl nur Tränengasgranaten verschossen wurden.

Um den Tag nicht völlig mit Bürokram zu verbringen, gehen ich am späten Nachmittag noch mal raus. Ich frage in den umliegenden Geschäften und Restaurants, ob ich die Inhaber porträtieren darf. Aber die Reaktionen sind mehr als verhalten. Erfolg habe ich bei einem indischen Großhändler, aber das Bild wird nicht so der Brüller. Es ist ein schmaler Laden, vollgestellt mit Kartons, außen vergittert, ich weiß nicht wirklich wo ich mich mit der Kamera hinstellen soll. Am Eingang eines Restaurant verspricht mir eine junge Frau, deren Cousine belad einen Sachsen heiraten wird, einen Termin beim Chef zu organisieren.

Abends dann Essen mit Ben vom Fitnessstudio im Hotelrestaurant, alle anderen Kumpels hatten leider keine Zeit oder waren gar nicht in Nairobi, und tatsächlich erscheint auch Isabel mit meiner Filmlizenz.

Samstag (07.10.2017)

Wir sind um 10.00 h im Hotel verabredet. Der Manager von KOCH FM hat nur bis 12 h Zeit. Stephen kommt eine halbe Stunden später, mein Bodyguard eine Dreiviertelstunde. Aber die Wartezeit kann ich wenigstens nutzen, um Stephen die Süddeutsche Zeitung vorzulesen, die ich mitgebracht habe, weil er in einem Artikel erwähnt wurde. Stephen ist eigentlich Anwalt, arbeitet aber auch als Lehrer, ist nach dem Studium in seinen Slum zurückgekehrt und ist dort eine Art „peacemaker“. Er vermittelt zwischen rivalisierenden Gruppen, reduziert das Gewaltrisiko, kümmert sich um Jobs für junge Leute, ist für Behinderte aktiv, hat für die Errichtung eines Kinos und einer Müllsammelstelle gesorgt und ist vermutlich so was wie der geheime Bürgermeister, mit Anfang 30.

Frank, ist mir vom Fitsnesstudio als Bodygard vermittelt worden. Stephen sagt, den brauchen wir gar nicht. Aber er soll mir auch assistieren, beim Fotografieren einfach den Rücken freihalten.

Stephen ordert ein Auto via Uber und wir stürzen uns in den Stau. Unser Ziel ist die Radiostation Koch FM 99,9 im Korogocho Slum. Zum Glück hat sich auch dort einiges verzögert. Begrüßt werden ich jedoch erst mal von einem älteren Paar aus Amsterdam. Sie saßen im Flugzeug einige Reihen hinter mir.

oben: das Studio von KOCH FM

Das shooting ist entspannt. Frank muss mit dem Reflektor von außen durch das winzige Fenster für etwas mehr Licht sorgen. Der Sender wird aus Deutschland un Brasilien unterstützt und wird komplett ehrenamtlich geführt.

Wenn wir einmal da sind, quälen wir uns mit unserem angeheuerten SUV durch einige Gassen des Slum zu einem Haus, in dem Joyce lebt. Stephen will sie besuchen, denn heute ist der Tag der geistig Behinderten. Stephen wird von einem Jungen, der 18 ist und aussieht wie zwölf mit wilden erfreuten Gesten begrüßt. Wir sitzen im Wohnzimmer von Joyce und Stephen erklärt mir etwas von Ihrer Arbeit. Joyce wird komplett aus Spenden finanziert, das ist ihr Leben. Einige der Behinderten Kinder, um die sie sich kümmert, leben in ihrer winzigen Wohnung, die sie auch noch mit zwei eigenen Kindern teilt.

Dann wieder in den SUV, wir fahren quer durch die Stadt zu einem Sportplatz. Dort hat Ben seine Soundanlage aufgebaut. Das Fußballspiel ist gerade zu Ende. Ben vermietet die Anlage für Veranstaltungen, außerdem hat er noch einen Friseursalon. Aber beides gehört nicht ihm allein, sondern einer NGO, für die er seit vielen Jahren arbeitet. Ben war mal sieben Monate in Europa, u.a. in Prag, Halle, Kopenhagen und Warschau und hat für seine NGO Vorträge gehalten. Aber er wollte von seiner Westreise auf jeden Fall zurück nach Kenia.

Vom Fußballplatz geht es zum Lunch in einer recht bescheidenen Location. Dort verabschieden wir auch unseren Fahrer. Weiter dann mit einem Tuktuk zu Bens Friseursalon. Schwieriges Licht, zum Glück habe ich den Blitz mit.

Weiter mit dem Matatu zu irgendeiner Kreuzung, dort steigen Stephen, Frank und ich auf je ein Motorradtaxi und fahren zu Stephens Kanzlei, denn dort will ich ihn porträtieren. Erstaunlich, was man aus einem winzigen Zimmer in einem Wellblechhaus alles auf die Beine stellen kann.

Dann geht es zu Fuß weiter durch den Kibera Slum, Stephens Heimat. Es ist ein andauerndes Händeschütteln, überall Musik, Rauch, Gestank, Staub, Plastikmüll. Wir machen Station am Kino, in dem einfach zwei große Flachbildschirme stehen, auf denen zwei verschiedene Fußballspiele gleichzeitig laufen. Auch das Kino gehört irgendwie zu Stephens großem NGO-Netz. Wir besuchen Stephens muslimischen Onkel, einen sehr weisen Mann, ehemals Kraftfahrer, und diskutieren in entspannter Atmosphäre über die AfD und den Islam.

Stephen (rechts) hat schon wieder irgendeinen Freund getroffen.

Auf dem Weg zur Matatu Haltestelle schüttle ich noch kurz die Hand von Stephens Mutter und gratuliere ihr zu diesem tollen Sohn. Irgendwann weit nach 7 laufen wir durch das dunkle Nairobi, denn ich will mit Stephen noch zu Abend essen. Wir diskutieren ca. 10 Projektideen, wo sich bei uns irgendwie Schnittmengen ergeben. Feierabend.

Sonntag 8.10.

Gestern ist es mir gelungen, einen Termin bei Chef des Restaurants gegenüber vom Hotel zu bekommen. Er kommt eine halbe Stunde später in frischer schneeweißer Kluft. Ich darf mein Licht aufbauen, finde eine Steckdose und mache meine Bilder. Wir unterhalten uns noch ein wenig . Er ist 72 und hat nach 20 Jahren in Hoteljobs als Buchhalter und sonst noch was das Restaurant gegründet. Es läuft seit 22 Jahren. Die Nahrungsmittel erzeugt er auf einem eigenen Bauernhof. Alles bio, sagt er. Und das geilste: heute Nachmittag will er mich dorthin mitnehmen.

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