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Wir nähern uns dem Tag X

    Komischerweise kann ich es kaum erwarten, mein Auto zu verabschieden. Die letzte Reparatur hat wieder über 400 € gekostet. Na gut, das hat die Firma übernommen, aber es ist auch meine Firma…Wenn ich mal wieder zusammenrechnen darf: Termin vereinbaren, mit Citroen diskutieren, dass der Termin auch so liegt, dass ich auf dem Weg in die 3 km entfernte Werkstatt in Berlin nicht gleich im Stau stehen bleibe, Auto hinbringen, Auto abholen…summa summarum waren das 2,5 Stunden und 4,20 € für die S-Bahn-Tickets für den Teil der Wege Wohnung – Werkstatt, der ohne Auto bewältigt werden musste. Am Wochenende habe ich mein i-Phone ordentlich mit CDs aufmunitioniert und auch die dort abgelegte Liste der Podcasts endlich mal wieder aktualisiert. Ich werde bald ganz viel Zeit zum Hören haben.

    Gestern habe ich einen Mandantentermin auf dem Hauptbahnhof in Leipzig gemacht. Ein längerer Zwischenstopp auf dem Weg nach Jena, das war´s, keine langen Wege, neutraler Boden. Bald kann ich so was in der DB-Lounge machen.

    Mir fallen einige Städte ein, die ich seit längerem mal besuchen wollte: Dresden, Hamburg, Warnemünde, Kiel…Da am Wochenende mal schnell mit dem Auto hinzufahren, verspricht kaum Erholung. Aber einfach mit Claudia und Simon in den Zug setzen, Schach spielen oder lesen…das hört sich doch schon ganz anders an.

    Apropos Lesen. Auch dazu werde ich wieder mehr Zeit haben. Überraschend positiv hat sich da vor 10 Jahren schon der Entschluss ausgewirkt, auf die Dudelkultur des Fernsehens zu verzichten … na gut, Arte und 3-Sat, aber die kann man zum Glück auch via Internet sehen.

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    Jetzt gleitet eine wunderbare Herbstlandschaft im Nebel am Fenster vorüber. Ich darf schauen und träumen. Wir befinden uns zwischen Naumburg und Weißenfels. Und hiermit will ich auch schon einen ersten Bahnreisetipp platzieren:

    Mit dem Zug nach Naumburg, dort in die Burgenlandbahn umsteigen und Richtung Wannen (wer noch keine Scheibe hat, kann dort den Fundort der berühmten Himmelsscheibe besichtigen) auf einer alten eingleisigen Strecke, der Unstrutbahn, mit einem Triebwagen weiter, der aussieht, als käme er direkt aus dem Legoland. In Freyburg aussteigen, dann entlang des linken Ufers der Unstrut flussauf laufen.

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    Man erreicht so nach ca. 1 km die Mühle Zeddenbach.

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    Die kann man besichtigen und staunen, wie sich über zahllose Generationen ein Familienbetrieb erhalten hat. Man sieht einen alten, vollmechanischen mysteriösen Personenaufzug,

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    eine mechanische Controllingabteilung

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    (vollautomatisches Wäge- und Zählwerk für angeliefertes Getreide)

    und eine absolut absturzsichere Festplatte, auf die gerade die Daten der Buch(!)haltung geschrieben werden.

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    (absturzsicher, wegen der Leiste am unteren Tischrand)

    Wandert man dann am linken Ufer, flussabwärts gesehen, zurück, passiert man zahlreiche Weingüter, kommt wieder nach Freyburg, was einen Abstecher in die Innenstadt lohnen würde, und erreicht dann hinter Großjena das Haus von Max Klinger. Hier lebte der phantastische Vertreter des deutschen Symbolismus viele glückliche Jahre bis zu seinem Tod und ließ sich kurzerhand auch auf dem Weinberg bestatten.

    Klingers Wohnhaus ist Museum, man kann einige seiner Arbeiten bewundern und – so wie er –  einen wunderbaren Blick auf die Täler von Saale und Unstrut genießen.

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    Dann passiert man die Buntsandsteinhänge mit dem steinernen Buch, riesigen Steinreliefs aus dem 18. Jahrhundert, und erreicht den Blütengrund. Dort könnte man mit der Fähre nach Naumburg übersetzen oder eine Bootsfahrt antreten. Die Alternative ist ein Weg entlang des flussabwärts linken Ufers der Saale, der an verlassenen Weinbergen, aber auch solchen, die wieder beste Sorten produzieren, vorbeiführt. Der Weg führt direkt zur Naumburger Sekt- und Weinmanufaktur an der Saalebrücke. Dort kann man ebenfalls besichtigen und verkosten.

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    Oder gegenüber in einer alten Brauerei, der „Goldenen Henne“,  ein kleines Fahrradmuseum besichtigen. Von dort gibt es einen Weg zurück über die Felder nach Naumburg. Übernachtet man aber in der Goldenen Henne, gibt es am nächsten Morgen ein Frühstück mit Sekt – ohne Limit. Das konnte ich nicht so recht glauben, wollte es dann aber angesichts einiger geöffneter Flaschen doch nicht erproben, denn der Tag zuvor hatte mit nicht enden wollenden Weinverkostungen den Appetit auf Alkoholisches deutlich gedämpft.

    Diesen schönen Weg sind wir mit Kolleginnen und Kollegen bei unserem diesjährigen Betriebssportfest (jedes Jahr am 7. Oktober) gewandert. Es ist eine Strecke, die man bequem an einem Tag schaffen kann. Wir haben uns ob er vielen kulinarischen Attraktionen aber etwas mehr Zeit gelassen. Es war ein schöner Tag mit lieben Menschen und viel frischer Luft.

    Ja, frische Luft, davon werde ich in den nächsten Monaten auch deutlich mehr haben. Öffentliche Verkehrsmittel sind mit mehr Fußwegen verbunden als das Auto. Vielleicht auch das ein Vorteil: mehr Bewegung, mehr Klimareize.

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Eric bald ohne Auto

Den ersten Schritt haben wir im Sommer getan: wir haben gemeinsam überlegt, welcher Kostenvorteil für die Firma entsteht, wenn ich auf meinen Dienstwagen verzichte. Er ist enorm. Und wenn ich mir statt des Autos eine Bahncard 100 leiste, die kostet immerhin 3.800 €, bleibt noch so viel übrig, dass es für Mietwagen, Taxis und gelegentliche Neubesohlungen der Schuhe locker reicht.

 

Die meisten Kilometer verheize ich auf der Strecke Berlin – Jena. Die wöchentliche Fahrt in die Firmenzentrale ist schon heute mit der Bahncard 50 etwa zur Hälfte der Kosten zurückzulegen, die ein bequemes Auto verursacht.

 

Und auch der zeitliche Mehraufwand hält sich in Grenzen: während ich mit dem Auto von Haustür zu Haustür 2:15 h unterwegs bin – voller Speed, da wo es erlaubt ist und diszipliniert gefahren, wo es die Schilder gebieten – benötige ich mit Zug, S- und U-Bahn gerade einmal 30 Minuten mehr.

 

Immer vorausgesetzt der Zug ist pünktlich und immer vorausgesetzt mir bleiben Staus und Pannen erspart.

 

Noch kniffliger waren die Überlegungen, welche praktischen Konsequenzen sich sonst für einen Alltag ohne Auto ergeben.

 

Hinter mir liegen 30 Jahre ohne und die letzten 20 Jahre mit Auto.

 

Ein Auto ist bequem. Es ist erstaunlich teuer, wenn man einmal alle Kosten kalkuliert. Ein Auto kann aber auch nerven: dröge Autobahnen, Staus, nächtliche Parkplatzsuche, Werkstattermine, Energie für konzentriertes und strafzettelfreies Fahren, gefrorene Scheiben, drängelnde Raser, Zeit an Tankstelle und Waschstraße, Ärger über Schrammen und Beulen von anonymen Verursachern, wie sie leider in Berlin an der Tagesordnung sind.

 

Manchmal war das Auto für uns wie ein Iglu. Draußen ist es kalt und regnerisch, drinnen sitzt die Familie warm und trocken und es läuft das Radio mit dem Lieblingssender. Man bewegt sich in völliger Autarkie. Hier ist er, der Gute, der mir seit mehr als 6 Jahren treue Dienste (von Beginn an mit Rußpartikelfilter) leistet:

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Zugfahren ist noch angenehmer. Es fährt die Landschaft. Ich kann arbeiten, lesen und die neuesten Podcasts hören.

 

Trotzdem: für Transporte aus Baumarkt und IKEA oder den zweiwöchentlichen Großeinkauf ist das eigene Auto nicht zu unterschätzen. Dafür einen Mietwagen chartern oder ein Taxi bestellen, das kann ich mir – zumindest jetzt – noch nicht vorstellen.

 

Und wohin mit der Ausrüstung bei anspruchsvolleren Fotojobs? Alles in den Rucksack?

 

Mietwagen heißt immer: buchen, abholen, Formulare ausfüllen, betanken, abgeben.

 

Carsharing bedeutet fast den gleichen Aufwand wie Mietwagen. Mit dem Nachteil, dass Einwegmieten in den meisten Fällen nicht möglich sind. Die meisten Car-sharing-Anbieter haben darüber hinaus wenig transparente Tarife: eine monatliche Pauschale, Kilomtergeld und Zeitpauschale. Das ist ein aus Betreibersicht vernünftiger Mix. Doch für den Nutzer sind exakte Nutzungsplanung für die einzelne Fahrt (Wie weit? Wie lange?) und Prognosen über den zukünftigen durchschnittlichen Nutzungsumfang (wegen der Monatspauschale) erforderlich, wenn er z.B. kalkulieren will, ob nicht eine gelegentliche Mietwagenbuchung doch die günstigere Alternative ist.

 

Wir haben stattdessen mit Freunden einen Vertrag geschlossen, welcher die gelegentliche – aber eben durchaus auch spontane – Mitbenutzung von deren Auto regelt. Es sind die benachbarten Betreiber eines Restaurants, deren Auto die meiste Zeit auf der Straße steht und eigentlich nur an den Vormittagen für die Warenbeschaffung benötigt wird. Und dann gibt es noch die sieben anderen Dienstwagen, die tagsüber in Jena auf dem Parkplatz stehen und die ich mir ohne große Formalitäten borgen kann, wenn ich in Thüringen ein Auto brauche.

 

Und den Rentnerporsche für den Weg in die Kaufhalle an der Ecke, oder das Lastenfahrrad. Aber die Trolleys, die es zu kaufen gibt, sind entweder extrem hässlich oder eher was für snobistische Flughafenschnösel mit Managergepäck.

 

Lastenfahrräder wiederum sind heutzutage so konstruiert, dass sie sich mit steilen Kellertreppen und zarten Damenhänden nicht recht vertragen wollen.

 

Und wie gestalten sich unsere zukünftigen Urlaube?

 

Unsere favorisierte Form des Urlaubes ist der Wohnungstausch. Der führte uns bisher überwiegend in europäische Großstädte. Die sind auch zukünftig mit Billigflieger und Bahn zu erreichen. Und auch in der Vergangenheit haben wir uns bei Auslandsaufenthalten vor Ort einen Mietwagen genommen. Also kein wirkliches Problem.

 

Was mir sonst noch an pro und contra durch den Kopf geht:

 

Die Züge der Bahn werden tendenziell voller, vor allem dann, wenn ich unterwegs bin, also am Morgen und am späteren Nachmittag.

 

Noch nerviger ist ein voller Zug mit Nachbarn im Abteil, die ungehemmt labern, laut telefonieren oder durch andere Geräusche (Schnarchen, Naseschniefen usw.) belästigen.

 

Nichts ist cooler als mit einer Bahncard 100 einfach in einen x-beliebigen Zug einzusteigen ohne zuvor eine Fahrkarte kaufen zu müssen. Was auch im Preis der BC 100 inbegriffen ist: der Nahverkehrstarif von 118 Großstädten in Deutschland.

 

Doch ausgerechnet in Berlin gilt die BC 100 nur innerhalb des S-Bahn-Ringes. Da hinzukommen würde mich zwingen, jedes Mal ein Kurzstreckenticket (1,30 €) zu kaufen. Oder ich müsste zur nächsten S-Bahn-Station laufen, denn die wird wieder von der Bahn betrieben.

 

Ich habe mir vorgenommen, die Verkehrszeichen des Bahnbetriebes auswendig zu lernen. Ich will die Sprache der Lokführer verstehen, wie mein Großvater auch: Entfernungsangaben, Warnungen, Gebote, Verbote, die seit Jahren mit den Bahnstrecken an mit vorüberrauschen.

 

So viel zu meinem Vorgeschmack. Ab November wird es ernst.

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