Den gestrigen Sonntag (21.01.) verbrachten wir mit Spaziergängen in Punta Arenas, schlafen und Wäsche waschen. Höhepunkt war der Besuch einer Art Heimatmuseum. Es handelt sich um eine prachtvolle Villa aus dem Jahre 1905 mit allem erdenklichen Luxus, deren Interieur seit der Errichtung nahezu unverändert geblieben ist. Das verleiht den Räumen eine besonders authentische Atmosphäre. Die Besitzer, eine der wenigen Familien, die in dieser unwirtlichen Gegend zu Reichtum gekommen sind, übergaben das Haus im Jahre 1983 der Stadt. salon.jpg

Viele der Geschäfte hatten am Sonntag geöffnet. Die Dekorationen und das ganze Ambiente der Stadt erinnerten mich ein wenig an Bulgarien bzw. Russland, wie ich beides in den achtziger Jahren erlebt habe. Ein Gewirr von Kabeln und Masten spannt sich zwischen den Häusern. Diese sind bunt getüncht, auch an Stellen, an denen eigentlich neuer Putz nötiger wäre. Die meisten Gebäude sind jedoch mit Blechplatten beplankt. Ein im Bau befindliches Eigenheim gab den Blick frei auf ein Gerippe aus verzinktem Stahl, welches einfach mit Spanplatten verkleidet wird. Die so erzeugten Wände sind sicherlich nicht dicker als 15 cm, Wärmedämmung ist trotz des Klimas kein Thema, das vermitteln auch die überall anzutreffenden Einfachverglasungen der Fenster. melancholie-punta-arenas.jpg

…so sieht es hier am Stadtrand aus … Es herrscht eine merkwürdige Ästhetik. Man will es irgendwie hübsch machen und bleibt auf den letzten Zentimetern vor dem Ziel stehen. Irgend ein Detail vermittelt immer den Eindruck des verlorenen Elans. An den Häusern wird nach Kassenlage gebaut, nichts wirkt wirklich vollendet. Dabei scheint den Einwohnern äußerliches nicht unbedeutend zu sein. Die Stadt strotzt von Denkmälern und Plaketten und hält offenbar sehr auf Tradition.

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Ein kleiner Rundgang bringt einige Kuriositäten zum Vorschein. Eine aus Beton gebaute neoromanische Kirche. Ein klassizistischer Bau mit Tympanon und Säulenportal am Hafen , ebenfalls aus Beton, birgt eine Sporthalle.

sporttempel.jpg Neben respektablen Gründerzeitbauten finden sich aber auch einige modernere Gebäude und solche im Art-deco-Stil, auch Einflüsse des Bauhauses kann man entdecken. Der zentrale Platz mit mächtigen Bäumen und dem Magellan-Denkmal ist bei Sonne ein guter Ort zum Verweilen. Dort haben wir mit Simon abends noch ausgiebig Fußball gespielt. Heute morgen ging es mit dem Bus weiter nach Puerto Natales. Für die 290 km benötigt der Bus ca. 3 Stunden. Das Reisen mit dem Bus ist etwas merkwürdig. Es gibt nur reservierte Tickets und keine Stehplätze. An einem Terminal findet eine richtige Gepäckabfertigung statt und der Platz des Fahrers ist durch eine gläserne Trennwand mit Tür von Fahrgastraum abgeteilt. Unser Bus hatte eine Toilette. Ein Beifahrer machte mehrere Kontrollgänge, wischte die von innen beschlagenen Scheiben sauber, ebenso wurden mehrfach die Tickets kontrolliert.

Während der Fahrt haben wir den landschaftlichen und auch klimatischen Wandel gut beobachten können. Mit der Entfernung von Punta Arena nahm die Zahl der Bäume zu und es wurde wärmer, so dass wir bei der Ankunft gleich unsere Regenjacken verstauen konnten. Simon war die meiste Zeit mit einem sechsjährigen chilenischen Jungen beschäftigt. Er hat sein gesamtes Spielzeug aus dem Rucksack gekramt, Lieder gesungen, Fotos gezeigt und Mundharmonika gespielt. Das hat vielleicht auch ein wenig dazu beigetragen, dass Simon heute erstmals und unaufgefordert zu einem Taxifahrer auf spanisch „Danke“ sagte.

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Dieser brachte uns heute Nachmittag zu einer aus der Anfangszeit des vorigen Jahrhunderts stammenden Gefrierfleischfabrik. Hier wurden Millionen Schafe verarbeitet, gefrostet und gleich aufs Schiff verladen. Vor allem der Maschinenraum mit den Kältemaschinen war sehr eindrucksvoll. Zu der Anlage gehörten eine Werkbahn und ein eigener Pier. Die Werkbahn fuhr die Arbeiter auch mehrmals täglich zwischen Werk und Stadt hin und her denn der Gerberei und dem ständigen Umgang mit Ammoniak geschuldet, war das Gelände weit vor der Stadt angelegt worden.

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Morgen sind wir mit einem Drucker zu einem Interview verabredet. Seine Druckerei fanden wir auf der Suche nach einem Geldautomaten. Eine Heidelberger Tiegelpresse mit 25 Jahren auf dem Buckel ratterte, wir traten ein und wurden freundlich empfangen. Unser heutiges Quartier ist sehr nett, Simon ist nach den üblichen Diskussionen endlich mal vor 21.00 h eingeschlafen. Er hatte heute keinen Mittagsschlaf. Ansonsten wie üblich alles bestens beieinander.