Simon sitzt kauend im Hotelbett, vor sich nach einiger Abstinenz wieder eine Glotze. Vorhin beim Mittagessen war er am Tisch eingeschlafen, denn unser Tag begann heute wieder um 06.00 h. simon-pennt-am-tisch.jpg


Die Attraktion gestern war der Besuch bei gleich drei Gletschern. Unser Schiff befuhr dazu den kleinen Chico-Fjord. Dort hatten wir zunächst einen Blick auf den Günther-Plüschow-Gletscher, benannt nach einem aus Deutschland kommenden Flieger, der in den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit seinem Wasserflugzeug viel zur Erkundung der Region beigetragen hat.

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Das Eis hat eine wunderbare blaue Farbe, weil es unter dem gewaltigen Druck der Gletschermasse alle Luftbläschen verliert. Wie nahezu alle Gletscher auf der Erde nehmen auch die von uns besuchten stetig an Volumen ab. Wie groß sie vor tausenden Jahren einmal gewesen sein müssen, war an den Schleifspuren an den Wänden des Fjordes ablesbar.
Während das Schiff im Fjord ankerte, fuhren wir mit dem Schlauchboot – einen Wasserfall passierend – zum Pilot und Nena-Gletscher. Die kalbten zwar nicht, aber die spiegelglatte Wasseroberfläche war trotzdem von zahllosen Eisklumpen übersät. Einen etwas größeren hat die Besatzung zur Dekoration des Abendbuffets geborgen. Da kam glatt ein wenig Titanikstimmung auf.

Die Fahrt durch den Beagle-Kanal und Teile der Magellan-Straße war auch bei trübem Wetter ein beeindruckendes Landschaftserlebnis. Diese Vielfalt an Grau und Blau wird vielleicht durch Sonne eher gestört, habe ich mir jedenfalls eingeredet …
Heute früh (Samestag, 20.01.) fuhren wir gegen 07.00 h mit Schlauchbooten auf die Magdalena-Insel. Die hat einen schönen Leuchtturm und ist eine gigantische Pinguin-Kolonie.

Die Sonne schien und die Unmassen an Pinguinen ließen sich durch uns kaum beeindrucken. Die hatten die Insel wie einen Schweizer Käse mit Nisthöhlen durchlöchert. Erstaunlich, wie weit einige Brutplätze vom Wasser entfernt liegen. Da sind bis zur Futterquelle durchaus mal 150 m watschelnd zurückzulegen.
Simon ist seit Tagen durchweg gut gelaunt. Die befürchteten Schwierigkeiten mit häufigen Ortswechseln sind uns erspart geblieben. Im Schiff ist er in den letzten Tagen wie selbstverständlich herumspaziert und hat auch einige Zeit allein in der Kajüte zugebracht. Er sinniert angesichts der vielen Eindrücke sehr oft laut über Dinge, die er später mal erfinden will, z.B. ein Haus, in dem alles nur einen Euro kostet, eine Schokoladendusche, diverse Raketenautos..

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Wir haben uns entschlossen, bei nächster Gelegenheit in einem T-Shirt-Laden ein Shirt mit der Aufschrift: bitte nicht streicheln, bitte nicht füttern oder so ähnlich für Simon drucken zu lassen. Aus Frust bin ich einer ältlichen Italienerin laut „Piccolo mia!“ rufend auch mal durch den Schopf gefahren, nachdem sie sich an Simon vergrapschte. Das hat Simon gefallen, geht aber nicht immer so.
Gelandet sind wir heute in Punta Arenas. Die Stadt wird als eher trist beschrieben, was ein wenig ungerecht ist. Die Straßen teilen das Gelände in lauter Quadrate, was nicht gerade Entdeckerlust provoziert. Doch verfügt die Stadt auch über einige grandiose spätkoloniale Villen, die jetzt meist öffentlichen Zwecken dienen. Die Stadt hat einige Baumalleen und es fallen zahlreiche Filialen spanischer Banken auf.

Die Preise in Chile sind extrem niedrig. Das Mittag für uns drei hat umgerechnet 7 € gekostet, beim Abendessen lagen wir inklusive je eines Pisco Sour für die Eltern bei 20 €. Das ist schon fast peinlich. Morgen wollen wir das hiesige Edelrestaurant mit einem gusseisernen Wintergarten im viktorianischen Stil aufsuchen.
Claudia fragt nach sichtbaren Unterschieden im Verhältnis zu Argentinien: die Frauen sind dicker, etwas lieblos gekleidet und die Stadt hat mit etwa 120.000 Einwohnern (eben so viele wie Pinguine auf der Magdalena Insel) auch sichtbare soziale Probleme im Stadtpark liegen. Dazu gibt es auffallend viele streunende Hunde, was uns von Fiona und Giles schon als typisch für das chilenische Straßenbild angekündigt wurde. Die Menschen hier sind Touristen gewohnt und die Kinder, denen wir begegneten, waren Simon gegenüber sehr aufgeschlossen.
Als Fotograf werde ich morgen meine Leidenschaft für triste Motive ausleben können. Alte Speicher am Hafen, vergangener Glanz der erfolgreichen Pioniere, bunte Blechdächer. Hier schon mal ein Vorgeschmack …

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Unser Hotel liefert dazu die passende Einstimmung. Es müffelt überall nach Kippe, es ist seit längerem nicht renoviert worden, abgeplatzte Fliesen, ramponierte Türen, der Internetarbeitsplatz ist ein Brett auf einem Waschtisch in einer ehemaligen Toilette. Nichts was von Sorgfalt oder gar Investitionslust zeugt.
Vielleicht eine Erklärung für die für uns romantisch klingende Sehnsucht nach Deutschland, die Enrico Rauch, der Kapitän unseres Schiffes, gestern Abend in Claudias Interview beschwor.