Temuco wird von den Reiseführern – ebenso wie die gesamte Strecke zwischen Puerto Mont und Santiago – als touristisch wenig attraktiv abgetan. Und – ganz ehrlich – ohne unsere Panne wären wir nicht in Temuco eingekehrt. Es ist eine Stadt mit ca. 300.000 Einwohnern, die vor allem durch die Industrie und wenig durch touristische Kapriziösen geprägt ist. Es gibt auffallend viele gut angezogene Leute, schicke Einkaufstempel und alles erinnert mich etwas an Jena in den neunziger Jahren. Die Schlipsträger fremdeln noch etwas, sitzen aber schon im Cafe. Die ersten kleinen Glaspaläste stehen neben noch unsanierten Ecken, die Baulücken werden knapper. Die Stadt prosperiert und strahlt Selbstbewusstsein aus.

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Nach einigen telefonischen Diskussionen mit treckerchile.com, vergeblichem Warten an einer Mietwagenstation, deren nette Chefin herumtelefonierte, um uns eine Auto MIT Klimaanlage und MIT Kofferraum und MIT Tauglichkeit für Schotterpisten zu besorgen, bestiegen wir gegen 17.00 h einen Hunday-Jeep mit allem Komfort. Treckerchile.com war anfangs der Meinung, wir fahren mit einem offenen Pickup weiter und verstauen unser Gepäck unter einer Plane auf der Ladefläche.
Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt, denn das Auto für die nächsten knapp drei Wochen ist ein Diesel, hat Klimaanlage, Tempomat, richtig viel Platz und ein geräumiges Gepäckabteil. Verbrauch 10 l Diesel auf 100 km bei konstant 120 und nicht 20 l Super, wie der leidige Camper. Die Papiere für den Grenzübertritt nach Argentinien waren noch zu besorgen und kosteten deutlich weniger als die 100 €, die uns dafür von Herrn Kapner berechnet wurden. Und: auch in der Hochsaison ist es kein Problem, in Chile kurzfristig einen guten Mietwagen zu besorgen.
Damit war unser Camperabenteuer für alle Zeiten beendet. Wenn ich noch mal resümieren darf: der Vorteil des Campers, dass man überall halten und campieren kann, wird durch folgende Nachteile aufgewogen: sehr wenig Platz im Innenraum, zu kurze „Betten“, keine vernünftige Dusche, kein vernünftiges WC – so zumindest bei unserem Exemplar. Hoher Verbrauch und langsame Fahrt durch die Aufbauten, Probleme bei der Parkplatzsuche in Städten. Und am Ende landet man doch auf dem Campingplatz, wenn man in dichter besiedelten Gegenden unterwegs ist. Sinn machen diese Fahrzeuge nur, wenn man keine Lust hat auf die abendliche Quartiersuche und das leidige Ein- und Ausräumen von Hotelzimmern. Der wirtschaftliche Vorteil durch den Wegfall der Übernachtungskosten wird durch die deutlich höhere Miete kaum ausgeglichen – nicht jedoch in dem preiswerten Chile. Unser jetziger Mietwagen kostet ca. 70 € am Tag. Die Differenz von 66 € zu den Kosten des Mietwagens reicht in den meisten Fällen für ein Hotel.
So sind wir denn am Abend des 05.02. (Montag) fast schon im Dunkeln in Chillan angekommen und im Stadtzentrum sogleich in das „Gran Hotel“ eingecheckt. Das wollten wir uns nach all dem Ärger mal gönnen. Wir hatten eine kleine Suite mit Extrazimmer und Extrabad für Simon, der Wagen wurde vom Portier auf einen bewachten Parkplatz gefahren. Alles zusammen für ca. 80 € dank des hervorragenden Eurokurses im Verhältnis zum US$. Und es war ein wirklich schönes Hotel, saniert, aber im Stil der 30iger Jahre belassen, mit vielen und durchaus guten Originalkunstwerken ausgestattet und mutig modern möbliert – was in Chile eine Ausnahme ist.
Chillan ist eine kleine Stadt im flachen Land mit einer recht passablen Innenstadt, großen Baumalleen und einer gigantischen Kathedrale. Diese steht an einem parkartigen Platz, an dessen Palmen wir an diesem Rosenmontag noch die Weihnachtsdekoration vorfanden.
cathedrale.jpg Unser Weg führte uns weiter nach Norden, fast auf die Höhe von Santiago, immer auf der Autopista 5, dann bogen wir nach Westen ab Richtung Pazifik-Küste, wo wir San Antonio passierten und in Cartagena landeten. Das war das eigentliche Tagesziel. Aber allein der Blick auf den Strand – ein Gewühl von mehreren tausend Menschen auf engstem Raum – ließ uns weiterfahren. So erreichten wir Las Cruzes.


strandgewusel.jpg…suche den Mann mit der blauen Badehose….(Blick aus unserem Hotelfenster)
Jetzt sitze ich am Küchentisch eines kleine Apartements im angeblich zweitältesten Hotel Chiles. Ich konnte auf die untergehende Sonne über dem Pazifik schauen und die Brandung im Ohr spülte ich das Geschirr. Von draußen weht Meeresgeruch herein … oder sind das Claudias Füße neben mir?

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Heute, Dienstag (06.02.), war ein Autobahntag. Das mag langweilig klingen, aber ich misse dieses Erlebnis nicht, denn es gab einen Einblick in die Geologie Chiles. Wechselnde Landschaften, naturbelassene Flusstäler, dann wieder endlose Ebenen, Blicke auf Berge und Hügel der Küstencordillere, aber alles sehr grün und schließlich voller Rebstöcke.
Die chilenische Autobahn ist eigentlich ein Boulevard. Wir haben Traktoren, Mähdrescher, Fußgänger, Leute auf Rennrädern und Mountainbikes (Stöcki, das wäre was für Dich!) und Gefährte mit abenteuerlichster Beladung überholt. Etwa alle 70 km ist Maut zu entrichten, ähnlich wie in Frankreich. Den Rand der Autobahn säumen zahllose wilde Ausfahrten, Pforten zu privaten Wohnhäusschen, Verkaufsstände aller Art, zusammengezimmerte Imbissbuden, Bushaltestellen und fast keine Blitzer. LKWs müssen in regelmäßigen Abständen ausscheren und über elektronische Waagen fahren. Fast durchgehend kann man mit 120 km/h dahingleiten. Jeder kann halten, wo er lustig ist. Die offiziellen Raststätten sind sauberer als in Deutschland und werden bewacht. Keine Raser, keine Drängler, vergleichsweise wenig Verkehr.
Als wir heute jedoch kurz vor Santiago die Autobahn verließen, um eine „Abkürzung“ zu nehmen, trafen wir auf ein verwirrendes Wegweisersystem. Verzweifelt waren wir, als wir an eine Y-artige Straßengabelung kamen und der Wegweise zur Autobahn mit „geradeaus“ ins Nichts wies. Verdutzt waren wir, als wir Maut entrichten mussten und dann eine Fahrbahn auf einer schmalen Brücke passierten, die wir uns mit der Eisenbahn teilen mussten. Der Autoverkehr wurde mit Schranken mal in die eine, mal in die andere Richtung durchgelassen.


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Über eine weite Strecke verlief parallel zur Autobahn eine der wenigen Bahnlinien Chiles. Die Strecke war meistens eingleisig und innerhalb von fünf Stunden begegneten wir ganzen zwei Zügen.
Simon hat im Auto mit Mama Schach gespielt, aus dem Fenster geguckt, Hörspiele gehört und Papas Geschichten von früher. Bei seinem Schachlernspiel ist er jetzt im 3. Level angekommen. Gegen 22.00 h saß er heute immer noch im Bett und sah Bücher an. Trotzdem wird er heute ausnahmsweise mal eher einschlafen, als seine Eltern.
Morgen wollen wir – drei Orte weiter – das Haus Pablo Nerudas in Isla Negra besuchen. Für mich eine sehr wichtige Station auf dieser Reise.