Die Zeichen stehen vorerst auf Andenüberquerung via Paso de San Francisco (4.600 m).

In Valparaiso hat Claudia endlich in einem Buchladen dem von ihr favorisierten ausführlichen Reiseführer zu Chiles Norden gefunden. Der wird von der Telefongesellschaft gesponsert und ist sehr aktuell, leider auf spanisch, so dass ich mir immer nur die Bildchen und Landkarten angucken kann. Aber selbst zu den kleinsten Orten enthält er Stadtpläne und aktuelle Hotelwegweiser. Ein tolles Teil und vergleichbares kenne ich von Deutschland nicht.

In diesem Heft wird bis zur argentinischen Grenze eine Fahrzeit von ca. 6 Stunden ab dem letzten größeren chilenischen Ort, Copiapo, (zugleich auch letzte Tankstelle für fast 500 km bis zur nächsten) angegeben. Im Internet hat Claudia herausgefunden, dass dieser Pass vor einiger Zeit von vier Deutschen mit Fahrrädern bewältigt wurde. Wie es allerdings in Argentinien weitergeht, verschweigt auch dieser Reiseführer.

Das ist ein Problem, dessen Ausmaß wir uns als Europäer so nicht vorgestellt haben: Chilenen und Argentinier können sich nicht leiden. Keiner redet gerne über den anderen, geschweige denn lobend. So haben wir in Argentinien einen Autoatlas gekauft, in dem Chile zwar vorkommt, aber nur auf separaten Karten und in einem viel gröberen Maßstab. Die Karten gehen auch nicht ineinander über, hinter der jeweiligen Staatsgrenze wird das Papier in schlichtem Grau gehalten, das wars. Will man grenzüberschreitend eine Route suchen, muss man also ständig blättern. Das ist ein bisschen wie in der DDR, in der die Landkarten auch an der Westgrenze endeten oder in denen die Ausführlichkeit bei Erreichen eines Sperrgebietes stark nachließ.

Wir sind gestern von Valparaiso aus fast 600 km nach Norden gefahren. Bei Nebel verließen wir Valparaiso und landeten unfreiwillig noch in Vina del Mar. Das ist die andere Hälfte der faktischen Doppelstadt, in der es weitaus gepflegter und mondäner zugeht, als in Valparaiso. Das jedenfalls war unser Eindruck beim Hindurchfahren.

Eine etwas nervige Fahrt durch die Vororte (keine oder verwirrende Wegweiser) brachte uns zur Autobahn 5, auf der wir dann recht schnell vorankamen. Die Autobahnen sind stets ausgesprochen leer, weil die Chilenen entweder keinen Grund zum Reisen haben oder die Maut zu heftig ist. Entlang der Küste wird vermutlich auch viel mit Schiffen transportiert.

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Die Landschaft wird mit jedem Kilometer karger. Immer wieder hat man imposante Blicke auf die Küste. Die Natur spielt hier verrückt: auf der einen Seite kann man zwischen Kakteen verdursten, auf der anderen Seite im Ozean ersaufen. Dazwischen gibt es außer der Autobahn nichts.

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Ich hätte gern einen Zwischenstopp zum Baden an einem der verlockenden Strände eingelegt, aber Claudia wollte vorwärtskommen.

Das eigentliche Ziel der Reise, La Serena, entpuppte sich als riesiger Touristenmoloch, mitten in der Wüste. Endlos zogen sich mühsam begrünte Retortensiedlungen dahin. Diese durchquerten wir auf einer Art Stadtautobahn, zu der die Autopista 5 hier mutiert. Wir hatten keine Lust, nach der empfohlenen Altstadt zu suchen (ausgeschildert war sie sowieso nicht) und steuerten statt dessen eine Art Golf-Areal an, beschrieben als neu entstandener Stadtteil direkt an der Küste. Als wir den erreichten, mussten wir jedoch feststellen, dass der Zugang nur für Apartmentbesitzer offen ist.

Da Simon sowieso eingeschlafen war, beschlossen wir weiterzufahren. Aber auch der nächste Küstenort war eine Enttäuschung: Hotel? Kennen wir nicht.

Schließlich entschieden wir uns gegen eine Umkehr und steuerten die Stadt Vallenar an, die man eigentlich als Oase bezeichnen muss, denn sie liegt mitten in der Atacama-Wüste.

Die Panamericana führt durch eine völlig karge Welt. Auch die Büsche werden immer spärlicher. Dennoch ist die Farbigkeit der unterschiedlichen Fels- und Schuttformationen beeindruckend. Claudia fand das gar nicht, sie fühlte sich beklemmt und war kaum zu bewegen, mal ein Foto zu machen, während ich fuhr und darauf bedacht war, einen soeben überholten LKW nicht wieder an mir vorbeiziehen zu lassen.

Abwechslung, wenn man einmal von der aus meiner Sicht schönen Landschaft absieht (wir sind da geteilte Meinung geblieben … ) bieten lediglich diverse Minen. Es gibt davon ca. 100 in der Gegend. Eisen, Kupfer und diverse Mineralien werden abgebaut. Früher hat das Silber die Menschen angezogen.

Die Minenarbeiter fristen ein Dasein auf Zeit. Neben den Tagebauen befinden sich höchstens kleine Barackensiedlungen, selten etwas Grünes. Die Arbeiter haben nach einer Wochenschicht eine ganze Woche frei und fliehen dann in die etwas größeren Städte.

Zum Beispiel nach Vallenar oder Copiapo.

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In Vallenar sind wir am 09.02. angekommen. Obwohl die Stadt (40.000 Einwohner) mitten in der Wüste liegt, gilt sie als Zentrum der chilenischen Olivenproduktion, denn es gibt einen Bach, der den Ort durchzieht. Ein Kuriosum ist der Kirchturm: bei einem Erdbeben stürzte er ein und wurde als Stahlskelett wiedererrichtet. Der Klang der Kirchenglocken ist nur noch über Lautsprecher aus der Konserve zu hören. Die Fassaden in der Stadt sind farbig gestrichen. Die Begeisterung der Chilenen für Buntes ist wohl die Folge fehlenden Grüns in der Umgebung.

Jetzt sitze ich im quietschgrünen Frühstücksraum eines frisch renovierten Hotels. Meine Süßen schlafen noch. Nach dem gestrigen Gewaltmarsch, den Simon nicht nur schlafend, sondern auch schachspielend überstand, durfte er zur Belohnung abends länger aufbleiben. Wir sind dann mal wieder gemeinsam weggeklappt.

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… unser Quartier in Vallenar.