Wenigstens einige Eindrücke von dieser Stadt will ich vermitteln. Sie liegt sehr schön im Bogen eines Tales. Das entdeckt man jedoch erst von einem erhöhten Betrachtungspunkt. Die Stadt ist für argentinische Verhältnisse sehr grün. Man muss den Kopf von den Schaufenstern lösen und sieht ab und zu Reste historischen Glanzes an den Fassaden. Im Zentrum steht eine neuzeitliche Kathedrale aus Beton, die im Inneren eine schlichte aber eindrucksvolle Deckenverkleidung aus Holz vorzuweisen hat. Wirklich alte Gebäude sind wie an vielen anderen Orten auch ein Opfer zahlreicher Erdbeben geworden. san-juan1.jpg

In der Umgebung gibt es viel Weinbau. Aber nichts da von prachtvollen Haziendas. Alles ist industrialisiert. Die Weinfelder könnten auch Kartoffeln tragen, nichts von dem Flair, was wir in Europa einem Weinbaugebiet zuordnen. san-juan-2.jpg

Gestern hatten wir noch eine interessante Begegnung. An einer Ampel wurden wir von einem Herren in schlichtem Anzug angesprochen woher wir kämen. Er erklärte dann, einige Jahre in Frankreich gelebt zu haben, während der Militärdiktatur. „Europa hat mir viel gegeben und auch wenn ich Deutschland nicht kenne, hier ist meine Email-Adresse, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann…“ Wie sich herausstellte, ein Redakteur der regionalen Zeitung für internationale Politik. Die Politik beschäftigt uns hier immer wieder. In Victor fanden wir dazu auch einen sehr kompetenten Gesprächspartner. Das Rätsel, warum zwischen Argentiniern und Chilenen so eine ausgesprochene Kühle herrscht, konnte er wenigstens zum Teil lüften. Als Mitte der siebziger Jahre sowohl in Chile, als auch in Argentinien Militärdiktaturen herrschten – übrigens die in Argentinien mit ca. 20.000 Toten schlimmere als die in Chile (2.000 Tote) – waren beide Regierungen darauf bedacht, durch außenpolitische Aggression von den innenpolitischen Problemen abzulenken. Also wurde an einem lächerlichen Streit um den Grenzverlauf der Nationalismus so geschürt, dass es 1978 beinahe zum Krieg kam. Aber auch in den Jahrzehnten zuvor wurden immer wieder Streitigkeiten, so z.B. auch zwischen Chile und Bolivien, benutzt, um in den Köpfen langfristig Ressentiments festzusetzen. Einen zielgerichteten Versöhnungsprozess, wie wir ihn z.B. zwischen Deutschland und Polen oder Deutschland und Frankreich kennen – und auch dieser ist mühsam genug – hat es hier nicht gegeben.

Und schließlich haben die Argentinier ihre Diktatur nach vergleichsweise kurzer Zeit hinweggefegt, während die Chilenen Pinochet viel länger erduldeten. Das erzeugt bei vielen Argentiniern etwas Hähme. Aber auch wirtschaftlicher Neid spielt eine Rolle. Der Neoliberalismus hat die argentinische Wirtschaft mit dem Währungscrash im Jahre 2000 in den Ruin geführt, der nun erst allmählich mit auch neuen politischen Konzepten überwunden wird. Seit den jedoch gilt Argentinien bei den Chilenen als preiswertes Urlaubsland.