Zum ersten Mal hatten wir im Zug danach gefragt. Ein Pensionär auf dem Weg nach Iasi, der etwas russisch sprach und in unserem Abteil saß, verneinte entschieden, dass Schiffe auf der Donau von Galati nach Tulcea, der Stadt am Eingang des Donaudeltas, fahren.

 

Schade, dachten wir, denn gern hätten wir die etwa 70km, die die beiden Städte trennt und die per Eisenbahn nur über einen gigantischen Umweg verbunden sind, mit einem Schiff bewältigt.

 

Doch im Hotel in Iasi erhielten wir neue Hoffnung. Der Rezeptionist, den wir um eine Recherche der Verbindung zwischen beiden Städten baten, meinte, es sein kein Problem mit dem Schiff zu fahren, bis 22.00 h ginge jede Stunde eines.

 

Erfreut entschieden wir uns am Samstag ob dieser freien Auswahl für den 13.00 h-Zug nach Galati, um von dort dann das Boot zu nehmen. Der Tag war quälend heiß und nur in einem klimatisierten Cafe hielten wir die Zeit bis zur Abfahrt des Zuges aus.

 

Kaum hatten wir mit dem Zug den ersten Vorortbahnhof von Iasi passiert, blieb dieser inmitten von Neubaublöcken plötzlich stehen. Dem allgemeinen rumänischen Geraune im Waggon entnahmen wir zwei deprimierende Worte: „Lokomtive“ und „defekt“. Tatsächlich herrschte völlige Stille, nur draußen rauschten die Autos vorbei. Alles verteilte sich vor dem Waggon auf den Gleisen und im vermüllten Gras.

 

Beinah waren wir entschlossen, auszusteigen, unter dem Rohr der Fernwärmeleitung hindurchzukriechen und ein Taxi zurück ins Hotel zu nehmen, als auf dem anderen Gleis plötzlich eine einsame Diesellok vorbeirauschte. Ich schöpfte Hoffnung. Und tatsächlich: die soeben gesichtete Lok kuppelte wenig später an der unsrigen an. Nun fuhr der Zug aber nicht weiter, sondern wurde mitsamt defekter Lok in den nächstgelegenen Bahnhof zurück geschoben. Dort verging weitere Zeit, bis die defekte Lok wegrangiert und die Ersatzlok die richtige Position unseres Zug schmückte.

 

Endlich. Nach einer guten Stunde ging es weiter. Wir hatten Glück, dass sich die Panne in der Nähe einer größeren Stadt ereignet hatte.

 

Es kam ein Schaffner und dieser konnte zu unserem Glück Englisch. Unser Anschlusszug in Tecuci, erklärte er, sei nicht mehr zu schaffen. Auf den nächsten müssten wir drei Stunden warten und wären dann nicht gegen 18.00 h , sondern erst kurz vor 22.00 h in Galati. Ich zückte unsere Karte und fragte, ob wir nicht bereits in Barlad umsteigen und auf einer Nebenbahn entlang der moldawischen Grenze weiterfahren könnten. Er blätterte wieder in seinem Kursbuch: Ja, das könnte gerade so klappen – und es klappte tatsächlich. Zwar mussten wir bei der privat betriebenen Strecke Tickets kaufen, aber wir waren immerhin gegen 19.00 h in Galati.

 

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Kurz vor der Ankunft kam ich mit einem jungen Mann ins Gespräch. Er war ein frisch gebackener Bauingenieur und Feuerwehrmann – sein Nebenjob während des Studiums. Er konnte recht gut Englisch und ich habe ihn gleich mal nach dem Weg vom Bahnhof zum Hafen gefragt. „Boote von Galati nach Tulcea?“ staunte er. Das habe er noch nie gehört, und immerhin sei er in Galati geboren und aufgewachsen. Mit der Fähre muss man über die Donau übersetzen und dann kann man einen Kleinbus nehmen. Er schlug seinen Laptop auf: „Vielleicht gibt es ja doch einen Direktbus nach Tulcea“. Aber einen solchen fand er nicht. Wir ließen uns nun statt dessen ein Hotel in Galati empfehlen.

 

Bei der Ankunft wurde unser Begleiter zwar von seiner Freundin erwartet (so hübsch, dass ich, sehr stark abgelenkt, nicht mal ein Foto von den beiden machte…), aber er nahm sich dennoch Zeit, mit uns zum nahe gelegenen Busbahnhof zu laufen und dort nochmals herum zu fragen. Dann begleiteten uns beide noch zum Hotel, ja, er nahm auf den letzten Metern sogar noch Claudias Rucksack auf die Schultern, nachdem meine Süße einfach fertig war vom Marschieren in der nach wie vor anhaltenden Hitze. So bekamen wir auch gleich noch eine Stadtführung und einige Schoten zu Ceaucescu präsentiert.

 

Am nächsten Morgen habe ich meinen üblichen Spaziergang durch die Stadt gemacht, die zu Unrecht von den Reiseführern verschmäht wird. Sie hat nämlich eine Art Prachtstraße, an der etliche Villen im Dornröschenschlaf dahindämmern. Universität, Rathaus, Präfektur und Theater künden auch heute noch von glanzvollen Zeiten. Bemerkenswert ist das nächtliche Treiben auf der Uferpromenade der Donau. Hier einige Eindrücke aus Galati:

 

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Unser Hotel lag gleich am Donauufer. So hatten wir es am nächsten Tag nicht sehr weit zur Fähre. Mit dieser setzten wir einfach ans andere Ufer über, wo wir prompt einen Minibus fanden, der nach Tulcea fuhr. Diese Minibusse werden oft privat betrieben, kosten etwas mehr, sind dafür etwas flexibler und schneller. Klimatisiert war unser Fahrzeug allerdings auch nicht.

 

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Abend über der Donau.

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 Auf der Fähre über die Donau.

 

Etwas mehr, nämlich ungefähr 15 € pro Person, kostete die Fahrt im Tragflächenboot, mit dem wir, in Tulcea angekommen, wenig später durch einen Kanal des Deltas schossen. Nach zweieinhalb Stunden erreichten wir St. Georghe und damit den östlichsten Punkt unserer Reise.

 

Der Ort liegt etwa drei Kilometer von der Schwarzmeerküste entfernt und hat ein wenig von der Atmosphäre Hiddensees. Kleine Häuschen, Sandwege, wenige Autos, eigentlich nur mit dem Boot zu erreichen. Der Hit sind kleine überdachte Anhänger, von Jeeps oder Traktoren gezogen, die einen Shuttleverkehr zwischen Dorf und Strand betreiben.

 

Wir waren uns nicht ganz sicher, ob wir nach St. Georghe fahren sollten, denn der Reiseführer hat den Ort unter bedeutungslos abgehakt. Auch hatten wir kein Quartier und wussten nicht, ob wir eins bekommen, wenn wir dort eintreffen. Ein Schiff zurück gab es nämlich erst am nächsten Tag! So erkundigten wir uns bei der Schiffsbesatzung, wie es mit Quartieren aussieht. Für alle Fälle hatten wir ja noch unsere Schlafsäcke mit.

 

Aber kaum hatten wir den Pier in St. Georghe betreten, nahm uns eine englisch sprechende junge Dame in Empfang: ob wir die Deutschen seien, die noch ein Quartier suchen. Mit Alina, die über drei Ecken von unserem Bedarf erfahren hatte, stapften wir durch den Sand zu deren kleiner Pension. Die junge Anwältin hat einen Job als Beraterin bei der Gemeinde und betreibt nebenher einige Gästezimmer. Wir hatten also wieder mal Glück. Alina nahm uns gleich mit ihrem Jeep mit ans Meer. Warm wie die Badewanne, aber deutlich größere Wellen. Trotzdem sehr erfrischend.

 

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St. Gheorghe hat eigentlich nur 900 Einwohner. Aber jetzt gibt es natürlich sehr viele Feriengäste. Alle wollen die Erkundung des Deltas mit einem Badeurlaub verbinden. Trotzdem ist das Dorf bisher von Massentourismus verschont geblieben. Diverse Investruinen künden von aufgegebenen alten und noch immer nicht vollendeten neuen Gebäuden, zum Glück noch keine Bettenburgen.

 

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Die traditionellen Häuser haben oft Elemente der byzantinischen Architektur, maurische Bögen an den Eingängen, Kratzornamente im Putz. Das wirkt mit Blumen und Gemüsebeeten alles recht hübsch.

 

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Für Romantik sorgen dazu noch zahlreiche Kühe und Pferde, die am Morgen wie von Zauberhand geführt auf ihre Weiden traben, einiges hinterlassen und gemütlich an dem fressen, was über die Gartenzäune ragt. So spart die Gemeinde auch gleich noch die Kosten für das Mähen der spärlich im Sand spießenden Gräser.

 

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Die Kirche, vor zwei Jahren komplett restauriert, ist vor zwei Tagen teilweise abgebrannt. Das ist bitter für das Dorf. Eine Versicherung gibt es nicht, und Rauchmelder machen bei dem allgemeinen orthodoxen Geräuchere offenbar wenig Sinn. Schade.

 

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 Heute war das Dorf in einen Sandsturm gehüllt. Den ganzen Tag ging der Wind wie Schmirgelpapier durch die Straßen. Mehrmals fuhr ein Traktor mit einem Wasserkessel durch das Dorf und und besprengte die sandigen Wege. Am Strand stießen wir zu unserer Überraschung auf eine kleine Kuhherde, die offenbar auch wusste, wo man am besten vor dem Sand geschützt ist.