Schon einmal ein nationales rumänisches Folklorefestival besucht? Gestern hatten wir Gelegenheit dazu – open-air im Kurpark, nur wenige Schritte von unserem Hotel entfernt.

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Vor einer Freilichtbühne hatte die Jury eine lange Reihe von Tischen aufgebaut. Und dann ging es los: Speed-Geiging, Speed-Tuting und Speed-Dancing – das waren, so unser Eindruck – die entscheidenden Disziplinen.

 

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Alt und Jung hottete begeistert mit, wenn nicht gerade das Handy klingelte oder man altersbedingt an die verfügbaren Sitzmöbel gefesselt war.

 

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 Allerdings hatte man bei der Tontechnik etwas gespart. Besonders die Wiedergabe der Geigen war mir ein Graus. Es klirrte und schepperte aus den Lautsprechern… Aber immerhin: eine willkommene Abwechslung vom allgegenwärtigen, schlecht gecoverten Discosound der 80iger Jahre, der einem allerorten aus den Lautsprechern in Läden und Restaurants entgegen wabert – wenn denn kein Fernseher da ist. Auch mit diesem Gerät wird man in fast jedem Restaurant oder Cafe ungefragt berieselt.

 

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Rumänien ist irgendwie ein unvollendetes Land. Das betrifft das politische System, das betrifft zahlreiche Straßenbauvorhaben, das ist aber auch im Alltag überall zu spüren. Man fängt an zu bauen, hört dann auf. Es entstehen dadurch nicht unbedingt Investruinen, sondern es kommt zu einer Kette fortwährender Anbauten, ähnlich wie in Südeuropa oder Südamerika auch. Und natürlich wird improvisiert, was das Zeug hält: ein Türstopper fehlt? Wir nehmen irgendeinen Plastikbehälter und tun Steine hinein. Unter der Duschkabine läuft das Wasser raus? Wir stopfen einfach Handtücher und Laken in den Spalt. Der Umsatz stagniert? Wir nageln drei weitere Werbeschilder an die Hauswand. Der Putz bröckelt? Wir bauen ein Gerüst vor das Haus zum Schutz der Fußgänger.

 

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Aber trotz all der sichtbaren Schlamperei ist Rumänien – wie wir Deutschen es sagen würden – sauber. Auch hier wird wie in Estland und Polen morgens allerorten gefegt. Und trotz der zahllosen herrenlosen Hunde, die durch die Städte streunen, liegt – anders als in Berlin – nirgendwo Hundekot auf den Gehwegen herum.

 

Und Rumänien ist glücklicherweise nicht wirklich arm. Die Zahl der Bettler ist nicht größer als in Berlin auch. Auf dem Land werden zahllose neue Eigenheime gebaut. Viele Bauernhöfe sind geradezu protzig herausgeputzt. Aggressives Angebetteltwerden, öffentliches Herumsaufen oder sichtliche Kriminalität sind uns bisher erspart geblieben. Selbst die Jugend ist erstaunlich entspannt, kein angeberisches oder gar aggressives Gehabe. Geradezu unauffällig pubertiert sie dahin. Und zur Eisenbahn ist zu sagen: sie ist erstaunlich pünktlich unterwegs.

 

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In Iasi, der Stadt, in der wir uns seit gestern aufhalten, gibt es eine riesengroße, voll klimatisierte Shopping-Mall, die sich in Berlin mit den dortigen Neubauten ohne weiteres messen könnte. Sie hat die Dimensionen eines Flughafenterminals – und sie ist seit kurzem fertig (bis auf geringfügige Restarbeiten). In diese (nicht in die Restarbeiten) sind  wir gestern bei erneut 33°C geflohen.

 

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Innen alle Marken dieser Welt, wenn auch ein wenig vom Publikum gemieden – offenbar wegen der Preise der angebotenen Dinge.

 

Iasi liegt an unserer Strecke nach Süden in das Donaudelta. Gestern sind wir mit dem Zug aus den Karpaten herausgefahren, lange Zeit parallel zum Fluss Siret, durch ein ewig breites Flusstal, das teilweise so bizarr glatt war, dass Simon ins Grübeln kam, ob nicht vielleicht doch Menschen das so planiert haben könnten.

 

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 Doch vor der Abreise aus Vatra Dornei konnten wir auf dem dortigen Markt noch einen ganz besonderen Service beobachten. Hier reisen die Grabsteinmetze der potenziellen Kundschaft quasi hinterher. Offenbar wird noch zu Lebzeiten bestellt. Man will ja schließlich wissen, wie es später mal so aussieht, wenn man selbst nicht mehr unter den Sehenden weilt.

 

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Iasi ist die geistige Wiege Rumäniens – oder soll man besser sagen des rumänischen Nationalismus? Hier sind in einer Art via tiumphalis Gotteshäuser aller wichtigen Religionen versammelt, sogar ein Synagoge (von einst 127 – vor 1944) findet sich noch, wenn auch etwas abseits.

 

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Daneben stehen eine beeindruckende Oper und ein Kulturpalast, der früher einst ein Verwaltungsbau war – angeblich Ausdruck des Neides, den die Bürger der Stadt empfanden, als sie den Titel der Hauptstadt an Bukarest vor 150 Jahren abgeben mussten.

 

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Eine große Überraschung bot die Straßenbahn, die hier fährt. Die Wagen stammen offenbar aus alten deutschen Beständen, wie man der noch vorhandenen Werbung entnehmen kann. Sehr hübsch die Gardinen, mit denen die Führerstände der Bahnen aufgewertet wurden.

 

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Unser Hotel (siehe unten) wurde nach Entwürfen von Gustav Eiffel gebaut.

 

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Überhaupt finden sich in der Stadt noch viele imposante Bauten aus der Blüte der vorletzten Jahrhundertwende. Verblüffend ist jedoch die fortwährende Mischung von Bauten aller Zeiten auf engstem Raum. Es gibt keine Altstadt, es gibt einfach überall alte Gebäude in merkwürdiger Symbiose mit Neubauten aus allen Epochen danach.

 

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Was ist mir sonst noch aufgefallen: Die spacige Kuppel der neuen Markthalle.

 

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Eine regelrechte Antiquariatsmeile in einer Straße hinter unserem Hotel.