Ich bin zum zweiten Mal in Kenia unterwegs. Wieder darf ich ein fotografisches Projekt für Dentists for Africa realisieren. Für diese NGO aus Deutschland habe ich 2011 eine Reportage über die zahnärztliche Arbeit in verschiedenen ländlichen Regionen Kenias angefertigt. Mit einer Porträtserie aus dieser Arbeit habe ich ein Preisgeld gewonnen, welches ich zur Hälfte dem Verein spendete und dessen andere Hälfte mir nun eine zweite Reise nach Kenia ermöglichte.

Diesmal begleitete mich mein jüngster Sohn, dem ich nicht nur dieses wunderbare Land zeigen wollte, sondern der bei dieser Gelegenheit auch seinen Patenbruder kennen lernen sollte.

Ja, Denstists for Africa kümmert sich nicht nur um von Cola zerfressene Zähne, die Initiatoren haben sich auch entschlossen, Patenschaften für Kinder zu vermitteln, die ihre Eltern durch die AIDS-Epidemie und andere tragische Unglücksfälle verloren haben. Auf diese Weise habe ich am Ende meiner ersten Keniareise auch meinen vierten Sohn bekommen, den ich gleich in mein Herz geschlossen habe.

Das Ziel der diesjährigen Reise war eine Serie von Porträts und Interviews. Die ersten Jahrgänge der von Dentists for Africa geförderten Kinder sind erwachsen, und ich wollte dokumentieren, was aus ihnen geworden ist.

Ich bin beeindruckenden Persönlichkeiten begegnet, aber auch bescheidenen jungen Menschen, die es noch gar nicht richtig fassen konnten, dass sie nach Jahren bitterster Armut plötzlich mit Unterstützung aus Deutschland an einer Universität studieren oder einfach eine Friseurlehre (in Kenia ein College-Beruf) absolvieren können.

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Da ist z.B. Christopher (28), der es dank der Förderung aus Deutschland zum Facility-Manager eines kenianische Medienkonzerns gebracht hat. Er kümmert sich um die Erhaltung zahlreicher Gebäude einer TV- und Zeitungsgruppe in verschiedenen Städten Kenias. Aus einem kleinen Dorf hat ihn Bildung letztlich nach Nairobi geführt.

Kenia hat ein für afrikanische Verhältnisse vorbildliches Bildungssystem, Lehrer genießen ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Allerdings muss in den meisten Fälle für Bildung bezahlt werden. Wer das Geld für die Grundschule nicht aufbringen kann, dessen Kind wird gnadenlos nach Hause geschickt. Wer Jura studieren will, zahlt etwa das Doppelte dessen an Studiengebühren, was ein Lehramtsstudent bezahlen muss. Der Besuch einer der nationalen Elitegymnasien kostet etwa 1.000 € im Jahr – nur für Reiche finanzierbar, es sei denn, das Kind kommt mit einem Top-Zeugnis und wird so von den Studiengebühren befreit.

Mein Sohn sagt, am besten gefalle ihm an Kenia die Freundlichkeit der Menschen. Und die ist tatsächlich bemerkenswert. Obwohl man als Europäer auffällt, mindestens so wie ein Farbiger in Deutschland auffallen würde, ist ein allgegenwärtiger Respekt und ein immer wieder gerufenes „Welcome to Kenia!“ prägend für denUmgang, frei von allen Formen der Aufdringlichkeit. Nervend ist nur das ewige „How are you!“ der Kinder, das uns hinterher gebrüllt wird, wo auch immer wir langgehen. Der vermutlich einzige Satz, der aus dem Kindergartenglisch haften bleibt. Oder man ruft einfach im Chor „Msungu!“ (Weißer!).

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Ich mag die kenianischen Landschaften. Diese werden auch von den Kenianer selbst immer wieder als der eigentlich Reichtum des Landes wahrgenommen. Es ist eine erstaunliche Vielfalt an Naturräumen und geologischen Besonderheiten auf engstem Raum. Die hingestreute Vegetation erinnert an Gemälde der deutschen Romantik. Die Farben, das Licht ohnehin. Und das Land ist irre grün. Die Regenperioden sind so über das Jahr verteilt, dass die Extreme nicht all zu heftig ausfallen.

Die Infrastruktur hingegen entwickelt sich nur langsam. Die einzige Eisenbahnlinie des Landes wird nur noch sporadisch bedient. Straßen im ländlichen Raum bestehen aus einem Gemisch aus Schotter und Lehm, sind nur selten asphaltiert oder wenigstens planiert. So ist denn das Motorrad gleich nach dem Bus das wichtigste Verkehrsmittel im Land. Selbst die Straße in den Nationalpark Maasai Mara ist so schlecht, dass einem nach zwei Stunden Fahrt einfach nur noch der Kopf dröhnt von dem ewigen Geschüttel. Angeblich wird diese Straße nicht erneuert, weil der Präsident den Westen Kenias nicht mag.

Ähnlich verhält es sich mit dem Tourismus. Das trügerische Schild „Hotel“ hängt an der kleinsten Bretterbude und meint eigentlich „Restaurant“. Das, was wir unter Hotel verstehen, findet sich am ehesten in der Umgebung touristischer Attraktionen und wird dann oft von Ausländern betrieben. Auch gibt es im Land zahlreiche kleine Flugplätze, die vorwiegend dem Transport der Touristen dienen – verständlich, denn der Transport auf dem Landweg ist abseits der Straßen eine harte Probe für Sitzfleisch und Geduld.

Interessant ist auch die Siedlungsstruktur. Dörfer im europäischen Sinne gibt es nur wenige. Vielmehr verteilen sich zahllose Gehöfte über das Land, oft ein einfaches Haus mit Wellblechdach, jeweils umgeben von vielleicht ein zwei Hektar Land, welches mit immerhin drei Ernten pro Jahr bestellt werden kann. Dennoch: auch in Kenia gibt es inzwischen große Farmen, oft in der Hand südafrikanischer Siedler, europäischer und chinesischer Konzerne, und auch die Teeplantagen sind keineswegs kleinteilig angelegt. Betrachtet man aber Hügel oder Tiefebenen von Weitem, sieht man wie hingestreut die Hüttendächer glänzen. Bäume stehe eher vereinzelt, aber doch in großer Zahl. Die einfache Unterscheidung zwischen Siedlung, Wald und Feld, wie sie für europäische Landschaften typisch ist, gibt es nicht.

Was man während der Reise kaum merkt: das Land ist ausgesprochen gebirgig. Nicht nur große Erhebungen, wie der Mount Kenia sind zu verzeichnen, sondern auch ausgedehntes Hochland mit um die 1.500 m über dem Meeresspiegel. Ein ideales Teeanbaugebiet.

Wie so oft in Afrika ist Wasser die alles entscheidende Ressource. Fließendes ist die Ausnahme. Selbst in Nairobi mussten wir verblüfft feststellen, dass der Neubaublock, in dem Christopher wohnt, zwar Wasserleitungen und Hähne für die jeweiligen Wohnungen besitzt, nicht jedoch einen Anschluss an die zentrale Wasserversorgung der Stadt. Also bringen Tanklaster das Wasser und pumpen es hinauf in die Zisterne auf dem Dach. Das ist immer noch besser als die Versorgung mit Kanistern, die von einer Quelle mit Eseln oder auf dem Kopf herbeigeschleppt werden müssen. Ebenso verblüffend für uns: ein Wohnzimmer ohne Außenfenster. Tageslicht gibt es nur aus dem Treppenhaus, welches von einem Dachfenster beleuchtet ist. Aber vielleicht ist ja Schatten ebenso kostbar wie Wasser.

In den Städten gibt es Neubaublocks aus Beton und Ziegeln. Auf dem Lande sind einfach gemauerte Häuschen und auch Lehnhütten die Regel. Jeweils mit Blech bedacht, welches einfach auf eine Holzkonstruktion geschraubt wird. Die Dachstühle darunter werden oft aus Ästen gezimmert.

Das Internet in Kenia läuft in erster Linie auf mobilen Strukturen. Die Menschen nutzen WhatsApp mit ihren Telefonen, E-mails sind eher die Ausnahme und High-speed-Anschlüsse gibt es nur in größeren Städten. Während das elektronische Bezahlen mit MPESA über Mobiltelefone gut funktioniert (und zugleich auch die ansonsten erforderlichen Bargeldbestände vor Diebstahl schützt), ist das Onlinebanking via Internet weitgehend unbekannt. MPESA lässt ferner nur relativ geringe Maximalbeträge für Zahlungen zu. Für größere Überweisungen muss man sich daher zur Bank begeben und in großen Schalterhallen Stunden mit dem Anstehen und dem Ausfüllen von Überweisungsträgern verbringen.