Autor: Eric Pawlitzky

Der vorliegende Blog ist unser Reisetagebuch. Per email sind wir unter ericpawlitzk(at)web.de zu erreichen.

Suwalki

Ach, Suwalki, bei Dir machen wir nur Station, weil gestern kein Bus mehr nach Pizs fuhr. Und dort wollen wir eigentlich nur hin, weil Claudias Mutter dort geboren wurde und die van Laak`sche Familie da ihre Wurzeln hat.

 

Jetzt sitzen wir in einem verregneten Ort, der so gar nichts zu bieten hat. Und unser Bus fährt auch erst am Nachmittag weiter, so dass wir erst gegen Abend das eigentliche Ziel erreicht haben. Das einzige, was Suwalki dem Rest Europas voraus zu haben scheint, ist die Vorbereitung auf des Weihnachtsfest…oder auch nicht.

 

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Gestern haben wir auch schon einen Vormittag in Marijampole erschlagen, denn von dort fuhr der Zug auch erst am Nachmittag weiter. Immerhin haben wir noch den drei Gotteshäusern (Gott muss dort oft zu Besuch sein) einen Besuch abgestattet.

 

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fruehere Synagoge (jetzt Bibliothek)

 

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Katholische Kirche

 

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Orthodoxe Kirche

 

Und ein Gebäude, dass erst der Gestapo diente, dann dem NKWD und das jetzt eine Bank beherbergt. Merkwürdig.

 

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Danach ging es mit der Litauischen Rumpeleisenbahn bis nach Sestokai, dann dort umgestiegen in die polnische Bahn. In Waggons aus dem VEB Waggonbau Görlitz fuhren wir durch eine hügelige Landschaft. So ruhig und komfortabel der Zug auch über polnische Gleise rollte, draußen waren nur noch Wälder, Wiesen, Felder und vereinzelte Häuser zu sehen. Nicht mehr durch Asphaltstraßen, nur noch durch Sandwege verbunden.

 

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In Suwalki half uns ein Taxifahrer weiter. Er sprach gebrochen englisch, französisch, deutsch und russisch. Überall hatte er schon mal gearbeitet und sich gezwungenermaßen auch dem schulischen Russischunterricht ausgesetzt. Er fuhr uns erst mal zum Geldautomaten, vorbei am neuen Spaßbad, am neuen Theater, an der neuen Shoppingmall – alles weit ab vom Zentrum auf einer alten Militärbrache. Dann standen wir im Stau, denn die Stadt wird täglich von 7.000 Sattelzügen durchquert, die PKWs kommen dazu. Alles Transit.

 

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Mariampole kannte unser Chauffeur auch. Er erklärt: Wenn in Deutschland ein Gebrauchtwagen noch 500 € bringt, dann kostet er in Polen 4.000 €. Aber in Marijampole kann man das gleiche Modell für 2.000 € erwerben. Die Masse machts dort, und von Suwalki sind es keine 150 km. So nimmt es denn kein Wunder, dass wir auf einem der Bahnhöfe einen jungen Mann aus Tschechien mit Nummernschildern trafen.

 

Gestern Abend sind wir durch die Fußgängerzone geschlendert. Ich habe das Hinterland einiger Hofdurchfahrten fotografiert. Das sieht dann immer aus wie das Licht am Ende des Tunnels.

 

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Marijampole

Marijampole hat einen wunderschön restaurierten Bahnhof.

 

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Den erreichten wir über Kaunas. Und bis dahin fuhren wir von Vilnius in einem nigelanagelneuen Eletrotriebzug von SKODA. Der fuhr streckenweise satte 100 km/h auf der dreigleisig ausgebauten Strecke zwischen Vilnius und Kaunas. Offenbar hat die Verbindung zum Fährhafen in Klaipeda eine große Bedeutung.

 

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Marijampole liegt an der Bahnstrecke nach Polen. Und ich wollte hier aussteigen, weil ich in einem Essay von Karl Schlögel zu dieser Stadt etwas Verrücktes gelesen habe. Der Ort ist der „hidden champion“ der europäischen Gebrauchtwagenmärkte. Hier wechseln Woche für Woche hunderte Gebrauchtwagen den Besitzer, um nach Weißrussland, Russland oder in die Ukraine weiterzureisen.

 

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Das hat sich irgendwann so ergeben, weil Mariampole günstig liegt (an einem großen Fernstraßendreieck) und deshalb gut zu erreichen ist. Also habe ich mir gestern im Hotel ein Fahrrad geliehen und bin die 6 km vor die Stadt zu eben jenem sagenhaften Ort gefahren. Und tatsächlich: der Autohunger ist noch nicht gesättigt, gestiegene Einfuhrzölle haben den Strom nicht gekappt. Auf einem großen eingezäunten und gut beleuchteten Gelände haben die Autohändler ihre Claims wie kleine Käfige abgesteckt und bieten Autos aller Art feil, von gut in Schuss bis Unfallkarre. Dazu selbstverständlich auch Wohnwagen, LKWs und Busse.

 

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Überall in der Stadt findet man Autowerkstätten und parkende Trailer, vollgepackt mit Gebrauchtwagen.

 

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Was soll man zu Marijampole sonst schreiben?

 

 

Die Stadt ist ein wenig – jetzt bitte tapfer sein – wie eine Mischung aus Wolfsburg und Pjönjang. Während wir in Friedenau (bedeutender Stadtteil von Berlin) uns mit höhnischem Gelächter vom Auto verabschieden, erlebt die Utopie von der autogerechten Stadt (…gerecht! …ha,ha…) hier fröhliche Urstände.

 

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Sechsspurige Prospekte durchziehen die 47.010-Einwohner-Stadt. Auch der letzte Zentimeter Boden ist gepflastert – und zwar mindestens mit Granit oder wenigstens Porphyr-Platten (die preiswerteren aus Beton). Jeder fährt hier Auto und zwar mindestens einen Audi 80 oder einen Opel Senator. Schließlich sitzt man ja an der Quelle.

 

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In der Altstadt versucht man gegenwärtig mühsam mit ein paar Bäumchen wieder herbeizupflastern, was an Atmosphäre verloren ging. In den abgelegeneren Viertel – besonders zu empfehlen ist hier das Bahnhofsviertel (!) – ist die alte städtische Struktur offenbar noch intakt, denn hier gibt es kleine Häuschen mit netten Gärten, Blumen, Kirschbäumen und Zäunen zum Drübergucken. Wirklich bestens gepflegt.

 

Aber unter unserem Hotelzimmer toben die Reifen über das Pflaster. Immerhin, wir hatten aus der 4. Etage einen tollen Sonnenuntergang zu sehen bekommen.

 

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Marijampole hat einigen Wohlstand. Es gibt eine Weberei (gleich neben dem Hotel), einen Kulturpalast (auch gleich neben dem Hotel), Maschinenbaufabriken und eine große Zuckerfabrik, die offenbar die Ernte der fruchtbaren Böden im Umkreis hier verarbeitet.

 

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 Heute geht´s weiter in unser viertes Land auf dem Weg von Tallinn nach Thessaloniki: Polen.

 

 

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