Autor: Eric Pawlitzky

Der vorliegende Blog ist unser Reisetagebuch. Per email sind wir unter ericpawlitzk(at)web.de zu erreichen.

Costa Rica die 2.


Mit Alajuela konnte ich mich leider auch am 2. Tag nicht anfreunden. Am Morgen und am Abend habe ich einige Fotos gemacht, als die Sonne niedriger stand. Aber das ist ein generelle Problem mit dem Fotografieren hier: es gibt ständig ein sehr grelles Licht, viel Dunst, viel Grün, wenige ein Foto belebende Schatten. Und in den kleineren Städten kann man eigentlich nur auf die Suche nach Kuriositäten gehen. Architektonische Highlights sucht man in Costa Rica vergeblich.

Am 26.02. (Montag) haben wir einen kleinen Ausflug zu einem Wasserfall gemacht. Der Montag brachte es mit sich, dass wir fast allein waren. So haben wir ausgiebig gebadet und geduscht. Allerdings donnert das – nicht einmal kalte – Wasser aus so großer Höhe herab, dass man es nur kurze Zeit unter dem eigentlichen Wasserfall aushält, so prasselt es auf den Kopf. Hinzu kommt unmittelbar unter dem Wasserfall ein ständiger kalter Luftzug, der durch den Sog des herabfallenden Wassers entsteht. Aber bei 30°C hält man es an so einem Ort sehr gut aus.

Im Anschluss wollten wir eigentlich noch einen Zoo besuchen. Aber die hiesige Tradition, dem Touristen auch entfernteste Winkel des Landes zu zeigen, indem man das Aufstellen von Wegweisern vermeidet, hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

So verbrachten wir den Rest des Tages mit Lesen, Spielen, Ausruhen.

Am 27.02. war unser Ziel die Observatory Lodge unmittelbar am Fuße des Vulkans Arenal. Auf dem Weg dort hin hatten wir zunächst einige Kilometer Autobahn zu bewältigen. Ich schreibe: bewältigen. Denn abgesehen von einigen Schotterpisten sind die sonstigen Straßen in recht gutem Zustand. Sie wurden teilweise so oft asphaltiert, dass die Ränder steil ins Nichts abfallen, was nicht ungefährlich ist. Auf den Autobahnen jedoch ist die rechte Fahrspur eigentlich unpassierbar, weil extrem wellig. Dem klapprigen Daihatsu Terreno traue ich nicht viel zu. Ob das unangenehme Fahrgefühl an der extrem schwammigen Lenkung oder der zerfahrenen Straße liegt, weiß ich noch nicht. Die Folge dieses Zustandes ist, dass LKWs grundsätzlich auf der Überholspur fahren, so dass ausschließlich rechts – auf dem gefährlicheren Teil der Piste – überholt wird.

Abseits der Autobahn ist die Landschaft sehr schön. Kleine Dörfchen, alle Häuser gut in Schuss, kleine Felder und Gärten in einer hügeligen Landschaft, die in vielen Serpentinen durchquert wird.

In der Nähe von La Fortuna trafen wir direkt an unserer Straße auf eine Canopy-Station. Wie sich herausstellte, die längste Canopy-Bahn des Landes. Wir machten Pause und entschlossen uns spontan zu diesem interessanten Abenteuer. Helm, Beckengurt, Handschuhe und eine ausführliche Sicherheitsbelehrung – dann ging es los.
800 m durch die Wipfel riesiger Bäume (Mahagoni), immer auf Seilbahnen, über Hängebrücken oder mit kurzen Fußwegen zwischen den Stationen. Man hängt an einer Rolle im Karabinerhaken und surrt über die zwischen den Bäumen gespannten Stahlseile, etwa 10 bis 30 m über dem Boden. Begleitet wurden unsere kleine Gruppe – mit uns war eine dreiköpfige Hispano-Familie aus den USA – von drei Guides, die nicht nur Simon auf den Schoß nahmen, sondern auch unterwegs viel erklärten. Höhepunkt war eine Art Tarzan-Schaukel mit einem 48 m langen Stahlseil, an der man in einem gigantischen Bogen – Flugzeit für eine Strecke ca. 2 Sekunde – über ein breites Tal geschleudert wurde. Das war Simon dann doch zu heftig, aber ansonsten hat er diesen Test auf Höhenangst bravourös bestanden. Die Bäume, durch die wir hangelten, waren zum Teil bis zu 250 Jahre alt. Es gab auch 100 Jahre alte Lianenstränge zu bewundern und wir sahen – glücklicher Zufall – ein Exemplar der größten Schmetterlingsart des Landes, den blauen Morpho (morpho amathonte) mit 15 cm Flügelspannweite. Da waren selbst die einheimischen Begleiter fasziniert. Für die ganze Strecke haben wir übrigens drei Stunden gebraucht, was auch durch die strengen Sicherheitsbestimmungen und das ständige An- und Abseilen verursacht wurde. Wir waren jedenfalls alle drei begeistert.


Gegen Nachmittag erreichten wir die Observatory Lodge im Nationalpark an dem aktiven Arenal-Vulkan, wo Claudia per Internet vor einem halben Jahr ein Zimmer reserviert hatte. Den „Familientrakt“ mit Gemeinschaftsbädern – alles im Top-Zustand – hatten wir ganz für uns allein. Viel Platz zum Spielen für Simon. Von unserem Zimmer haben wir durch riesige Glasfenster – wenn die Wolken es zulassen – einen großartigen Blick auf den Vulkan. Von der Terrasse aus gibt es einen Fernblick auf den Arenal-Stausee. Die Lodge geht zurück auf ein 1968 nach dem letzten großen Vulkanausbruch (78 Tote) errichtetes Beobachtungszentrum. Nun ist es nach einigen Erweiterungsbauten ein erstklassiges, gut in die Landschaft eingepasstes Hotel mit Zimmern unterschiedlicher Preiskategorien.

Ich saß den Rest des Tages auf der Terrasse und genoss einfach nur den Blick in die Landschaft, ab und zu erwischte ich mit dem Teleobjektiv interessante Vögel.
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Mit Einbruch der Dämmerung nahmen wir ein Bad in einem Yakuzzi (Simon und ich sagen immer Eierkocher zu den Dingern). Warmer entspannender Sprudel und groß genug für Simons Schwimmübungen. Dann ein wunderbares Abendessen im Restaurant.

Simon habe ich noch schön verscheißert, indem ich ihm einredete, ich hätte an der Rezeption für 10 Dollar einen kleinen Vulkanausbruch bestellt. Da hat er den ganzen Abend ängstlich gegrübelt, ob das wohl funktionieren könne. Und obwohl Claudia versicherte, dass ich ihm einen Bären aufbinden will, nagten die Zweifel in ihm, so dass er vorschlug, spätestens am nächsten Morgen abzureisen. Erst als ich sagte, ich hätte den Vulkanausbruch mit Vanillesoße und Schlagsahne bestellt, wich seine Beklemmung.

In der Nacht prasselte in mehreren Schüben ein gigantischer Regenguss auf das Dach unseres Bungalows. Diese Platzregen hielten dann den ganzen restlichen Tag an. Das hinderte uns jedoch nicht daran, heute früh eine schöne geführte Wanderung durch den Regenwald zu machen. Begleitet wurden wir von einem Ranger mit einem gigantischen Fernglas auf Stativ, der einen Blick für seltene Vögel hatte. Der Weg selbst war allerdings über weite Strecken betoniert und – wie peinlich – zurück ging es auf dem Anhänger eines Traktors.

Unser Quartier ist eine schwierige Balance zwischen einem behutsamen Tourismus mit begrenzter Zimmerzahl und Mülltrennung (!) einerseits und den Bedürfnissen behäbiger amerikanischer Touristen andererseits. So werden an der Terrasse des Restaurants die Papageien mit Fütterungen angelockt, der Nasenbär ernährt sich längst ausschließlich von Toastbrot.
Am 28.02. haben wir eine geführte Wanderung durch das riesige Gelände der Lodge gemacht. Das war schon beeindruckend, wo unser Begleiter plötzlich den Baumkronen Vögel sah, die wir nicht einmal hörten. Interessante Information am Rande: Costa Rica ist nicht nur dabei, die Küsten und die landschaftlichen High-lights mit Hotels zuzubetonieren, auch die Flüsse werden überall gestaut und wirtschaftlich genutzt. Der so gewonnene Strom wird überwiegend in die Nachbarländer exportiert. Bereits 75 % der Flüsse sind verschmutzt und/oder verbaut.

Der 1. März bescherte uns den zweiten Tag mit strömendem Regen. Auch wenn es draußen sehr warm ist, kann das nerven. In einer glücklich erwischten Regenpause am Vormittag machten wir eine vierstündige Wanderung zum alten Lavastrom. Die erstarrte Lava, die wie der gezackte Rücken eines Drachen in der Landschaft liegt, darf man leider nur aus gehöriger Distanz ansehen. Einmal kurz vernahmen wir das Grummeln des Vulkans, das hört sich an wie Gewitterdonner, sehen konnten wir wiederum kaum etwas, denn der Gipfel war in schwarze Regenwolken gehüllt. Am Nachmittag haben wir uns ausgeruht, Wäsche gewaschen, Simon hat gespielt. Und am Abend hat er nach langer Zeit mal wieder eher geschlafen als seine Eltern.

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Alajuela

Den letzten Tag in Santiago verbrachten wir mit dem Besuch des Eisenbahnmuseums. Dort kann man u.a. eine Lokomotive der Andenbahn und den alten Salonwagen der chilenischen Präsidenten sehen. Fast alle ausgestellten Lokomotiven haben ihren Ursprung in den USA, England, Deutschland und Frankreich. Viele der Dampfrösser waren mehr als 70 Jahre im Einsatz, oft bis in die 80iger Jahre, als das große Streckenstillegen begann.

andenlok.jpg Nach der Siesta besuchten wir noch einen Park in der Nähe des leider schon geschlossenen Kunstmuseums, wo Claudia eine vermutlich nicht ganz koschere Empanada zu sich nahm, was das frühe Aufstehen am nächsten Morgen stark beschleunigte. Auf dem Rückweg zu unserem Quartier haben wir einen Zwischenstopp an der Moneda eingelegt. Die alte Münze, seit vielen Jahrzehnte Sitz von Präsidenten und Diktatoren, ist eingepfercht zwischen Neubaublocks der Ministerien, so dass der Eindruck eines Kasernenhofes entsteht.

moneda.jpgDen Abend ließen wir in einem Nobelrestaurant voller moderner Kunst ausklingen. Alles war perfekt, sogar das Englisch der Bedienung.

bar-in-santiago.jpg Gestern (25.02.) sind wir gut in Costa Rica angekommen. So selbstverständlich war das nicht, denn in Santiago gerieten wir auf dem Flughafen etwas in Zeitdruck. Nach dem Check-in frühstückten wir in aller Ruhe, Claudia wollte sogar noch das restliche Geld umtauschen. Doch als wir die Tür zur Passkontrolle durchschritten, stellten wir fest, dass die vermeintlich kurze Schlange davor nur winkende Chilenen waren (gewunken wird bis zu letzten Sekunde, wenn Angehörige ein Flugzeug besteigen…). Hinter der Tür standen nochmals gut 100 Menschen vor den Kontrollschaltern an. Nun ging es nur in kleinen Schritten vorwärts, und mir schwoll innerlich der Kamm, als schließlich, etwa 10 Minuten vor der Abflugzeit, die etwas in die Jahre gekommene Dame von der Grenzpolizei immer wieder vergeblich versuchte, meinen Pass zu scannen und schließlich mühevoll, über den Rand ihrer Brille schielend, alles mit der Hand eingab. Wir stürzten zum Abfluggate und hatten natürlich noch massig Zeit, denn wie so oft in Südamerika flog die Maschine erst mit ca. 20 Minuten Verspätung los. Lima haben wir bei dem Zwischenstopp eigentlich nur aus der Luft gesehen. Eine grau-braune Häuserwüste, vor der Stadt im Meer eine Dreckfahne und noch vom Flugzeug aus waren zahlreiche Plastiktüten, Flaschen und sonstiger Unrat im Meer auszumachen.

Unsere erste Station in Costa Rica ist das kleine Städtchen Alajuela, ca. 5 km vom Flughafen entfernt. Hier hatte Claudia ein Hotel reserviert. Doch wir brauchten etwa eine Stunde, um es zu finden. In Costa Rica gibt es weder Straßennamen noch Hausnummern. Von der Kirche fünf Blöcke nach Norden, dann drei nach Osten, so oder ähnlich lauten Adressen hier. Claudia fragte ca. 5 Leute nach dem Weg. Zwei kannten das Hotel gar nicht, drei weitere gaben jeweils völlig verschiedene Antworten. Erst der vorletzte Befragte ging in sein Haus und rief beim Hotel an um sich erklären zu lassen, wo es sich befindet. Die Suche ist nicht zuletzt deshalb nervig, weil die gesamte Stadt von Einbahnstraßen durchzogen ist. Einmal zu spät abgebogen und man dreht wieder eine große Runde… Das Hotel war eine kleine Enttäuschung… Pool ohne Wasser, ist gerade kaputt, Bad und Klo im Nachbarhaus, Zimmer ohne Stuhl und Tisch und für mich die vierte Nacht in Folge in einem zu kurzen Bett. Heute will man unsere Sachen aber in ein etwas besseres Zimmer umräumen… Ich war bereits gegen 06.00 h putzmunter, denn der gestrige Flug brachte uns eine nochmalige Zeitverschiebung um drei Stunden. So habe ich den Sonnenaufgang und das günstige Licht genutzt, um einen kleinen Spaziergang mit der Kamera zu machen.

alajuelamorgen.jpgDie Stadt sieht aus, als würde in wenigen Tagen ein Bürgerkrieg ausbrechen. Überall vergitterte Fenster und Türen, das sind wir inzwischen gewohnt. Hier kommen jedoch noch mehrere Lagen Stacheldraht hinzu. Selbst Gesundheitszentrum und Schule sehen von weitem aus wie der Hochsicherheitstrakt eines Strafvollzuges. Simon meinte, es sähe aus wie in der DDR. Na ja. Die Häuser zeugen von unterschiedlichem Wohlstand. Den größten Wohlstand bezeugen die – ebenfalls verschlossenen und vergitterten – Kirchen. Das Land, so erklärte uns Christian von der Autovermietung, erlebt seit zehn Jahren einen ungeheuren Tourismusboom. Amerikaner hätten ganz Küstenstriche aufgekauft. An den attraktivsten Stränden inzwischen viel Beton. Und mit der wachsenden sozialen Differenzierung haben Diebstähle extrem zugenommen. Wir wurden eindringlich ermahnt, das Auto nur auf bewachten Parkplätzen und stets völlig leer abzustellen. Wir sollen bei irgendwelchen Problemen keinerlei spontane Hilfe annehmen, es könnte ein von Dieben inszeniertes Ablenkungsmanöver sein. Schon am Flughafen wurde auf Schildern gewarnt, außerhalb der Hotels nur Kopien der Personaldokumente mitzuführen. Noch, so Christian, würden die Diebe jedoch auf die Anwendung von Gewalt verzichten.

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Aber anders als in Chile und Argentinien sprechen auch einfache Leute Englisch und es gibt sogar einen von Amerikanern betriebenen englischsprachigen Radiosender, der Nachrichten und Verkehrsmeldungen bringt. Aber insgesamt bin ich den südamerikanischen Schlendrian etwas leid. Es nervt einfach, wenn man überall auf Provisorien und Müll trifft. Oft juckt es mir in den Fingern, kleine Schlampereien einfach mal zu reparieren, ein Bild gerade hinzuhängen, eine Tüte aufzuheben, einen Besen anzufassen, eine Schraube anzuziehen, eine kaputte Glühlampe zu ersetzen, Pinsel und Farbe… Manchmal frage ich mich, ob man hier als Einwanderer eine Insel veränderter Maßstäbe, einen Ort deutscher oder wenigstens europäischer Ordnung schaffen kann, oder ob man am allgemeinen Schlendrian irgendwann ganz einfach scheitert.

Christian von der Autovermietung kam als Braumeister nach Costa Rica. Die Bierproduktion wurde zu Gunsten einer Wasserabfüllanlage eingestellt. Danach, so sagte er, habe er als Ausländer große Probleme gehabt, einen vernünftigen Job zu finden. Er lebt hier mit einheimischer Frau und gemeinsamen Kindern. Aber, so Christian, man muss Abstriche am Lebensstandard hinnehmen. „So schön das Land auch ist, ich bin nach 15 Jahren immer noch der Fremde.“

 

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