Den letzten Tag in Santiago verbrachten wir mit dem Besuch des Eisenbahnmuseums. Dort kann man u.a. eine Lokomotive der Andenbahn und den alten Salonwagen der chilenischen Präsidenten sehen. Fast alle ausgestellten Lokomotiven haben ihren Ursprung in den USA, England, Deutschland und Frankreich. Viele der Dampfrösser waren mehr als 70 Jahre im Einsatz, oft bis in die 80iger Jahre, als das große Streckenstillegen begann.

andenlok.jpg Nach der Siesta besuchten wir noch einen Park in der Nähe des leider schon geschlossenen Kunstmuseums, wo Claudia eine vermutlich nicht ganz koschere Empanada zu sich nahm, was das frühe Aufstehen am nächsten Morgen stark beschleunigte. Auf dem Rückweg zu unserem Quartier haben wir einen Zwischenstopp an der Moneda eingelegt. Die alte Münze, seit vielen Jahrzehnte Sitz von Präsidenten und Diktatoren, ist eingepfercht zwischen Neubaublocks der Ministerien, so dass der Eindruck eines Kasernenhofes entsteht.

moneda.jpgDen Abend ließen wir in einem Nobelrestaurant voller moderner Kunst ausklingen. Alles war perfekt, sogar das Englisch der Bedienung.

bar-in-santiago.jpg Gestern (25.02.) sind wir gut in Costa Rica angekommen. So selbstverständlich war das nicht, denn in Santiago gerieten wir auf dem Flughafen etwas in Zeitdruck. Nach dem Check-in frühstückten wir in aller Ruhe, Claudia wollte sogar noch das restliche Geld umtauschen. Doch als wir die Tür zur Passkontrolle durchschritten, stellten wir fest, dass die vermeintlich kurze Schlange davor nur winkende Chilenen waren (gewunken wird bis zu letzten Sekunde, wenn Angehörige ein Flugzeug besteigen…). Hinter der Tür standen nochmals gut 100 Menschen vor den Kontrollschaltern an. Nun ging es nur in kleinen Schritten vorwärts, und mir schwoll innerlich der Kamm, als schließlich, etwa 10 Minuten vor der Abflugzeit, die etwas in die Jahre gekommene Dame von der Grenzpolizei immer wieder vergeblich versuchte, meinen Pass zu scannen und schließlich mühevoll, über den Rand ihrer Brille schielend, alles mit der Hand eingab. Wir stürzten zum Abfluggate und hatten natürlich noch massig Zeit, denn wie so oft in Südamerika flog die Maschine erst mit ca. 20 Minuten Verspätung los. Lima haben wir bei dem Zwischenstopp eigentlich nur aus der Luft gesehen. Eine grau-braune Häuserwüste, vor der Stadt im Meer eine Dreckfahne und noch vom Flugzeug aus waren zahlreiche Plastiktüten, Flaschen und sonstiger Unrat im Meer auszumachen.

Unsere erste Station in Costa Rica ist das kleine Städtchen Alajuela, ca. 5 km vom Flughafen entfernt. Hier hatte Claudia ein Hotel reserviert. Doch wir brauchten etwa eine Stunde, um es zu finden. In Costa Rica gibt es weder Straßennamen noch Hausnummern. Von der Kirche fünf Blöcke nach Norden, dann drei nach Osten, so oder ähnlich lauten Adressen hier. Claudia fragte ca. 5 Leute nach dem Weg. Zwei kannten das Hotel gar nicht, drei weitere gaben jeweils völlig verschiedene Antworten. Erst der vorletzte Befragte ging in sein Haus und rief beim Hotel an um sich erklären zu lassen, wo es sich befindet. Die Suche ist nicht zuletzt deshalb nervig, weil die gesamte Stadt von Einbahnstraßen durchzogen ist. Einmal zu spät abgebogen und man dreht wieder eine große Runde… Das Hotel war eine kleine Enttäuschung… Pool ohne Wasser, ist gerade kaputt, Bad und Klo im Nachbarhaus, Zimmer ohne Stuhl und Tisch und für mich die vierte Nacht in Folge in einem zu kurzen Bett. Heute will man unsere Sachen aber in ein etwas besseres Zimmer umräumen… Ich war bereits gegen 06.00 h putzmunter, denn der gestrige Flug brachte uns eine nochmalige Zeitverschiebung um drei Stunden. So habe ich den Sonnenaufgang und das günstige Licht genutzt, um einen kleinen Spaziergang mit der Kamera zu machen.

alajuelamorgen.jpgDie Stadt sieht aus, als würde in wenigen Tagen ein Bürgerkrieg ausbrechen. Überall vergitterte Fenster und Türen, das sind wir inzwischen gewohnt. Hier kommen jedoch noch mehrere Lagen Stacheldraht hinzu. Selbst Gesundheitszentrum und Schule sehen von weitem aus wie der Hochsicherheitstrakt eines Strafvollzuges. Simon meinte, es sähe aus wie in der DDR. Na ja. Die Häuser zeugen von unterschiedlichem Wohlstand. Den größten Wohlstand bezeugen die – ebenfalls verschlossenen und vergitterten – Kirchen. Das Land, so erklärte uns Christian von der Autovermietung, erlebt seit zehn Jahren einen ungeheuren Tourismusboom. Amerikaner hätten ganz Küstenstriche aufgekauft. An den attraktivsten Stränden inzwischen viel Beton. Und mit der wachsenden sozialen Differenzierung haben Diebstähle extrem zugenommen. Wir wurden eindringlich ermahnt, das Auto nur auf bewachten Parkplätzen und stets völlig leer abzustellen. Wir sollen bei irgendwelchen Problemen keinerlei spontane Hilfe annehmen, es könnte ein von Dieben inszeniertes Ablenkungsmanöver sein. Schon am Flughafen wurde auf Schildern gewarnt, außerhalb der Hotels nur Kopien der Personaldokumente mitzuführen. Noch, so Christian, würden die Diebe jedoch auf die Anwendung von Gewalt verzichten.

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Aber anders als in Chile und Argentinien sprechen auch einfache Leute Englisch und es gibt sogar einen von Amerikanern betriebenen englischsprachigen Radiosender, der Nachrichten und Verkehrsmeldungen bringt. Aber insgesamt bin ich den südamerikanischen Schlendrian etwas leid. Es nervt einfach, wenn man überall auf Provisorien und Müll trifft. Oft juckt es mir in den Fingern, kleine Schlampereien einfach mal zu reparieren, ein Bild gerade hinzuhängen, eine Tüte aufzuheben, einen Besen anzufassen, eine Schraube anzuziehen, eine kaputte Glühlampe zu ersetzen, Pinsel und Farbe… Manchmal frage ich mich, ob man hier als Einwanderer eine Insel veränderter Maßstäbe, einen Ort deutscher oder wenigstens europäischer Ordnung schaffen kann, oder ob man am allgemeinen Schlendrian irgendwann ganz einfach scheitert.

Christian von der Autovermietung kam als Braumeister nach Costa Rica. Die Bierproduktion wurde zu Gunsten einer Wasserabfüllanlage eingestellt. Danach, so sagte er, habe er als Ausländer große Probleme gehabt, einen vernünftigen Job zu finden. Er lebt hier mit einheimischer Frau und gemeinsamen Kindern. Aber, so Christian, man muss Abstriche am Lebensstandard hinnehmen. „So schön das Land auch ist, ich bin nach 15 Jahren immer noch der Fremde.“