Kategorie: Kenia

In Nairobi mit dem Projekt „african economy“

Als ich am Donnerstag (5.10.2017) meine kenianische SIM-Karte aufladen lassen wollte, ging das nicht mehr, denn die Nummer war längst neu vergeben worden. Also eine neue beantragen. Dann fragte die Dame von SAFRI.com , wann ich denn eingereist sei. „Gestern Abend“, antworte ich. „In Ihrem Pass fehlt der Einreisestempel.“ Ich blätterte im Pass herum – und tatsächlich, nix zu finden. Die Dame machte nach einigem Zögern ein Porträt von mir, installierte die SIM-Karte, fertig.

Zurück im Hotel rufe ich die Botschaft an, ob ich irgendwelchen Ärger bekommen könnte, wenn kein Einreisevermerk im Pass ist. „Ja“ war die Antwort. „Sie müssen zur Einreisebehörde gehen und den Pass ergänzen lassen.“ Zum Glück war diese Behörde nicht weit weg vom Hotel und – wieder Glück – als ich das Foyer betrete, begrüßt mich Ben, ein Facebook-Freund aus Nairobi. Er war zufällig in der Nähe und fuhr mich mit seinem Auto zum „immigation office“. Eine 100m lange Schlange am Seiteneingang hat mir erst mal einen Schreck eingejagt. Als ich aber am Haupteingang des Gebäudes einen uniformierten Wachmann mit meinem Problem konfrontierte, nahm der mich kurzerhand mit sich und wir gingen um das Gebäude herum zu einem weiteren Eingang. Dann ging es von Schalter zu Schalter bis wir vor einem Büro warten mussten.

Die Dame dort bat mich Platz zu nehmen, hörte sich die aus ihrer Sicht unglaubliche Geschichte an, schaute auf ihren Rechner, bis sich da plötzlich mit meiner weißen Brille auf dem Flughafen zu sehen war, wie ich vor dem Einreiseschalter stehe. Sie murmelte etwas zu meinem Begleiter, der mich darauf hin wieder an wartenden Menschen vorbei zu einem vergitterten Schalter schleppte. Der Mann dort nahm meinen Pass, verschwand und kam wieder mit der Ansage, ich müsse zurück zum Flughafen, das bei der dortigen Einreisebehörde regeln, er könne nichts für mich tun.

Eine Halbe Stunde war so verstrichen. Als ich meinem Begleiter ein kleines Trinkgeld in die Hand drücken wollte, lehnte dieser kategorisch ab.

Also zum Taxistand in der Nähe und auf zum Flughafen. Allan, mein Taxifahrer, ist ein netter Typ. Wir unterhalten uns über Kinder und das Leben, einer seiner Söhne studiert in den USA. Er ist 71, ehemaliger Banker, und noch top fit. Am Flughafen bittet er um die Rücktour und wartet auf mich, denn ich will noch zum Bahnhof.

Das Flughafengelände ist riesig. Wo ist die Einwanderungsbehörde? Ich frage kurzerhand eine Frau mit gelber Jacke und einem offiziell aussehenden Anhänger am Halsband. Wenig später habe ich auch so ein Halsband. Sie nimmt mich mit in ein Büro, wo mir erklärt wird, dass ich nicht so einfach in das Büro der Einwanderungsbehörde gehen darf. Das öffentliche Büro ist nämlich in der Stadt, dort wo ich gerade war. Mit dem speziellen Halsband soll ich mich bei der Gepäckabfertigung melden. Sicherheitscheck, dann großes Erstaunen – wie bin ich bloß ohne gültiges Einreisevisum bis hierher gekommen? Dann stehe ich wieder an dem Schalter, an dem ich am Tag zuvor hätte den entscheidenden Stempel bekommen müssen.

Großes Hallo, ja, das kann schon mal passieren, wenn abends ein Flugzeug mit vielen Leute kommt, dass dann der Beamte etwas unkonzentriert ist. 10 Minuten später habe ich dann einen schönen, offiziellen Aufkleber in meinem Pass. Alles gut.

Mit Allan zum Bahnhof. Er kennt sich zwar seit frühester Kindheit in Nairobi aus, aber an dem neuen Bahnhof, gleich bleim Flughafen, war er noch nie. Er fährt erst mal zum alten, wo uns dann erklärt wird, wo der neue ist. Alles gut. Es gibt 10 Fahrkartenschalter, fünf sind offen, aber ich muss mich an einer Schlange anstellen, während an den anderen Schaltern einzelne Leute bedient werden. Vermutlich haben die Sprechzeitreservierungen. Aber nach 10 Minuten bin ich dran und bekomme tatsächlich das Ticket, welches Tom aus Mobasa für mich elektronisch reserviert und bezahlt hat.

Mit Allan wieder ab auf denDauerstau, Inzwischen ist es 15 h. Ich will noch zur Filmbehörde, brauch eine Fotografielizenz. Allan setzt mich dort ab und sagt, wo er auf mich warten wird. Am Eingang des Hochhauses kennt keiner die Filmlizenz. Die Adresse habe ich am Morgen frisch aus dem Internet gefischt. Aber ich darf im Ministerium für Kultur und Information vorsprechen. Vorher Sicherheitskontrolle, Eintragen ins Besucherbuch. Die Damen und Herren im 9. OG erklären sich natürlich nicht für wirklich zuständig, sind aber nett, telefonieren ein wenig und schicken mich dann in ein anderes Hochhaus, ca. 600 m entfernt.

Ich gehe zu Allan, sag ihm, das ich das Stück laufen werde, aber er soll kommen, wenn ich fertig bin, und mich zurück ins Hotel fahren. Nach einigem Suchen finde ich den richtigen Eingang, Sicherheitskontrolle, eintragen ins Besucherbuch, 15. Etage.

Ich erzähle meine Geschichte, die entscheidende Bearbeiterin ist aber in einem anderen Gebäude. Einen erneuten Umzug lehne ich ab. Na gut, sich soll warten bis der Chef aus einer Besprechnung zurück ist. Ein Mann mit der Statur eines Gorillas kommt endlich den Flur entlang, alle springen hektisch auf, ich darf ihm in sein Büro folgen.

Bedächtig schaut er meinen Antrag an, fragt dies, fragt jenes, telefoniert und erklärt schließlich, dass er nichts für mich machen kann. Ich müsse leider einen Filmagenten beauftragen. Das ginge dann aber ganz schnell.

Mit Allan zurück ins Hotel. Dort im Rechner das Verzeichnis der offiziellen Filmagenten durchsehen. Ich rufe ca. 5 an, oft stimmen die Telefonnummern nicht, manche gehen nicht ans Telefon oder sagen, ich solle später noch mal anrufen (kommen aber nicht auf die Idee, zurückzurufen). Schließlich lande ich bei Isabel. Sie will sich kümmern, schickt mir ihre E-mailadresse und bittet mich, ihr alles, was ich schon habe, elektronisch zu übermitteln, dann wolle sie mir ein Angebot machen und wir verabreden uns für Freitagmorgen im Hotel.

Dann gehe ich erst mal fotografieren. Die Freunde vom Benseht plus fitness center. Das ist wiederum nicht sehr weit vom Hotel entfernt, denke ich und nehme mir ein Taxi. Inzwischen ist es dunkel und draußen tobt immer noch die ewige rush hour. Als wir an der vermeintlichen Adresse ankommen, ist von Fitness nichts zu sehen. Ich rufe an. „Oh, sorry, das ist die alte Adresse, die da auf der Facbookseite steht. Wir sind umgezogen nach Kasarani.“

Der Taxifahrer macht gleich mal eine andere Preisansage, denn das ist 10 km entfernt. Wir fahren und stehen los, aber er biegt auf Schleichwege ab und wir kommen in tiefster Dunkelheit an einem verkehrsumtobten Platz an, warten vor einer Bank. Endlich werde ich abgeholt. Es geht durch spärlich beleuchtete Gassen und schließlich begrüßt mich Ben, entschuldigt sich für den kleinen Marketingfauxpas. Wir kletter bis unters Dach eines kleineren Gebäudes und auf bescheidenen 30 qm offenbart sich eine grellbunte Welt voller fröhlicher Menschen mit dröhnender Musik.

Dann macht alles Spaß, es gibt mit viel Gelache ein gutes Bild. Und Ben fährt mich sogar wieder ins Hotel.

Ben ist 35, arbeitet bei einem Energieversorger. Er ist quasi ein Businessangel und hat sich an dem Studio beteiligt, seine Partner sind Mitte zwanzig. Irgendwann soll sich das Studio in eine Kette, in ein Franchisemodell verwandeln.

Am Abend bin ich mit dem Tag trotz aller Wirrnisse doch recht zufrieden.

 

Der Freitag beginnt etwas trübe. Morgens gegen 4 werde ich vom Muezin geweckt, gleich neben dem Hotel ist eine große Moschee. Richtig munter werde ich, als Isabel die Rechnung für die Film-Lizenz präsentiert. Allein 1.800 US $ soll ich für den Assistenten bezahlen, den ich doch ganz gewiss benötige. Und noch mal 200 US $ für kleine Recherchen. Diese Positionen kann ich ihr zum Glück ausreden. Wir landen bei 450 US $. Ich kann sie überreden, 200 € und 200 $ zu nehmen, dank des guten Eurokurses spare ich so wenigstens etwa 12 €.

Dann sitze ich in meinem Hotelzimmer, versuche, mich mit irgendwelchen größeren Firmen zu verabreden, die ich noch in Deutschland im Internet recherchiert habe. Aber es ist immer das gleich: Telefonnummern stimmen nicht, gewünschte E-mails zur Beschreibung dessen, was ich will, werden nicht beantwortet.

Dann dringt noch mehr Lärm als vorher durch das angelehnte Fenster: Trillerpfeifen, Hupen, Geschrei und schließlich Schüsse. Ich gucke aus dem Fenster, unten auf der Kreuzung zwei Uniformierte mit Kalaschnikows im Anschlag. Lkws und Jeeps mit Uniformierten fahren vorbei, rings auf den Hausdächern neugierige Beobachter, Leute rennen hektisch die Straße entlang, andere schauen dem Treibe gelassen zu. Am Abend zuvor hat mich ein Freund per E-mail gewarnt, heute das Hotel nicht zu verlassen. Ich schalte den Fernseher an und es wird life berichtet von einer Demonstration vor dem Büro der nationalen Wahlkommission, die wohl etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Abend dann erfahre ich im Aufzug von Kenianer, dass wohl nur Tränengasgranaten verschossen wurden.

Um den Tag nicht völlig mit Bürokram zu verbringen, gehen ich am späten Nachmittag noch mal raus. Ich frage in den umliegenden Geschäften und Restaurants, ob ich die Inhaber porträtieren darf. Aber die Reaktionen sind mehr als verhalten. Erfolg habe ich bei einem indischen Großhändler, aber das Bild wird nicht so der Brüller. Es ist ein schmaler Laden, vollgestellt mit Kartons, außen vergittert, ich weiß nicht wirklich wo ich mich mit der Kamera hinstellen soll. Am Eingang eines Restaurant verspricht mir eine junge Frau, deren Cousine belad einen Sachsen heiraten wird, einen Termin beim Chef zu organisieren.

Abends dann Essen mit Ben vom Fitnessstudio im Hotelrestaurant, alle anderen Kumpels hatten leider keine Zeit oder waren gar nicht in Nairobi, und tatsächlich erscheint auch Isabel mit meiner Filmlizenz.

Samstag (07.10.2017)

Wir sind um 10.00 h im Hotel verabredet. Der Manager von KOCH FM hat nur bis 12 h Zeit. Stephen kommt eine halbe Stunden später, mein Bodyguard eine Dreiviertelstunde. Aber die Wartezeit kann ich wenigstens nutzen, um Stephen die Süddeutsche Zeitung vorzulesen, die ich mitgebracht habe, weil er in einem Artikel erwähnt wurde. Stephen ist eigentlich Anwalt, arbeitet aber auch als Lehrer, ist nach dem Studium in seinen Slum zurückgekehrt und ist dort eine Art „peacemaker“. Er vermittelt zwischen rivalisierenden Gruppen, reduziert das Gewaltrisiko, kümmert sich um Jobs für junge Leute, ist für Behinderte aktiv, hat für die Errichtung eines Kinos und einer Müllsammelstelle gesorgt und ist vermutlich so was wie der geheime Bürgermeister, mit Anfang 30.

Frank, ist mir vom Fitsnesstudio als Bodygard vermittelt worden. Stephen sagt, den brauchen wir gar nicht. Aber er soll mir auch assistieren, beim Fotografieren einfach den Rücken freihalten.

Stephen ordert ein Auto via Uber und wir stürzen uns in den Stau. Unser Ziel ist die Radiostation Koch FM 99,9 im Korogocho Slum. Zum Glück hat sich auch dort einiges verzögert. Begrüßt werden ich jedoch erst mal von einem älteren Paar aus Amsterdam. Sie saßen im Flugzeug einige Reihen hinter mir.

oben: das Studio von KOCH FM

Das shooting ist entspannt. Frank muss mit dem Reflektor von außen durch das winzige Fenster für etwas mehr Licht sorgen. Der Sender wird aus Deutschland un Brasilien unterstützt und wird komplett ehrenamtlich geführt.

Wenn wir einmal da sind, quälen wir uns mit unserem angeheuerten SUV durch einige Gassen des Slum zu einem Haus, in dem Joyce lebt. Stephen will sie besuchen, denn heute ist der Tag der geistig Behinderten. Stephen wird von einem Jungen, der 18 ist und aussieht wie zwölf mit wilden erfreuten Gesten begrüßt. Wir sitzen im Wohnzimmer von Joyce und Stephen erklärt mir etwas von Ihrer Arbeit. Joyce wird komplett aus Spenden finanziert, das ist ihr Leben. Einige der Behinderten Kinder, um die sie sich kümmert, leben in ihrer winzigen Wohnung, die sie auch noch mit zwei eigenen Kindern teilt.

Dann wieder in den SUV, wir fahren quer durch die Stadt zu einem Sportplatz. Dort hat Ben seine Soundanlage aufgebaut. Das Fußballspiel ist gerade zu Ende. Ben vermietet die Anlage für Veranstaltungen, außerdem hat er noch einen Friseursalon. Aber beides gehört nicht ihm allein, sondern einer NGO, für die er seit vielen Jahren arbeitet. Ben war mal sieben Monate in Europa, u.a. in Prag, Halle, Kopenhagen und Warschau und hat für seine NGO Vorträge gehalten. Aber er wollte von seiner Westreise auf jeden Fall zurück nach Kenia.

Vom Fußballplatz geht es zum Lunch in einer recht bescheidenen Location. Dort verabschieden wir auch unseren Fahrer. Weiter dann mit einem Tuktuk zu Bens Friseursalon. Schwieriges Licht, zum Glück habe ich den Blitz mit.

Weiter mit dem Matatu zu irgendeiner Kreuzung, dort steigen Stephen, Frank und ich auf je ein Motorradtaxi und fahren zu Stephens Kanzlei, denn dort will ich ihn porträtieren. Erstaunlich, was man aus einem winzigen Zimmer in einem Wellblechhaus alles auf die Beine stellen kann.

Dann geht es zu Fuß weiter durch den Kibera Slum, Stephens Heimat. Es ist ein andauerndes Händeschütteln, überall Musik, Rauch, Gestank, Staub, Plastikmüll. Wir machen Station am Kino, in dem einfach zwei große Flachbildschirme stehen, auf denen zwei verschiedene Fußballspiele gleichzeitig laufen. Auch das Kino gehört irgendwie zu Stephens großem NGO-Netz. Wir besuchen Stephens muslimischen Onkel, einen sehr weisen Mann, ehemals Kraftfahrer, und diskutieren in entspannter Atmosphäre über die AfD und den Islam.

Stephen (rechts) hat schon wieder irgendeinen Freund getroffen.

Auf dem Weg zur Matatu Haltestelle schüttle ich noch kurz die Hand von Stephens Mutter und gratuliere ihr zu diesem tollen Sohn. Irgendwann weit nach 7 laufen wir durch das dunkle Nairobi, denn ich will mit Stephen noch zu Abend essen. Wir diskutieren ca. 10 Projektideen, wo sich bei uns irgendwie Schnittmengen ergeben. Feierabend.

Sonntag 8.10.

Gestern ist es mir gelungen, einen Termin bei Chef des Restaurants gegenüber vom Hotel zu bekommen. Er kommt eine halbe Stunde später in frischer schneeweißer Kluft. Ich darf mein Licht aufbauen, finde eine Steckdose und mache meine Bilder. Wir unterhalten uns noch ein wenig . Er ist 72 und hat nach 20 Jahren in Hoteljobs als Buchhalter und sonst noch was das Restaurant gegründet. Es läuft seit 22 Jahren. Die Nahrungsmittel erzeugt er auf einem eigenen Bauernhof. Alles bio, sagt er. Und das geilste: heute Nachmittag will er mich dorthin mitnehmen.

In Kenia für Denstists for Africa

Ich bin zum zweiten Mal in Kenia unterwegs. Wieder darf ich ein fotografisches Projekt für Dentists for Africa realisieren. Für diese NGO aus Deutschland habe ich 2011 eine Reportage über die zahnärztliche Arbeit in verschiedenen ländlichen Regionen Kenias angefertigt. Mit einer Porträtserie aus dieser Arbeit habe ich ein Preisgeld gewonnen, welches ich zur Hälfte dem Verein spendete und dessen andere Hälfte mir nun eine zweite Reise nach Kenia ermöglichte.

Diesmal begleitete mich mein jüngster Sohn, dem ich nicht nur dieses wunderbare Land zeigen wollte, sondern der bei dieser Gelegenheit auch seinen Patenbruder kennen lernen sollte.

Ja, Denstists for Africa kümmert sich nicht nur um von Cola zerfressene Zähne, die Initiatoren haben sich auch entschlossen, Patenschaften für Kinder zu vermitteln, die ihre Eltern durch die AIDS-Epidemie und andere tragische Unglücksfälle verloren haben. Auf diese Weise habe ich am Ende meiner ersten Keniareise auch meinen vierten Sohn bekommen, den ich gleich in mein Herz geschlossen habe.

Das Ziel der diesjährigen Reise war eine Serie von Porträts und Interviews. Die ersten Jahrgänge der von Dentists for Africa geförderten Kinder sind erwachsen, und ich wollte dokumentieren, was aus ihnen geworden ist.

Ich bin beeindruckenden Persönlichkeiten begegnet, aber auch bescheidenen jungen Menschen, die es noch gar nicht richtig fassen konnten, dass sie nach Jahren bitterster Armut plötzlich mit Unterstützung aus Deutschland an einer Universität studieren oder einfach eine Friseurlehre (in Kenia ein College-Beruf) absolvieren können.

Eric Pawlitzky for DfA-21-2

Da ist z.B. Christopher (28), der es dank der Förderung aus Deutschland zum Facility-Manager eines kenianische Medienkonzerns gebracht hat. Er kümmert sich um die Erhaltung zahlreicher Gebäude einer TV- und Zeitungsgruppe in verschiedenen Städten Kenias. Aus einem kleinen Dorf hat ihn Bildung letztlich nach Nairobi geführt.

Kenia hat ein für afrikanische Verhältnisse vorbildliches Bildungssystem, Lehrer genießen ein hohes gesellschaftliches Ansehen. Allerdings muss in den meisten Fälle für Bildung bezahlt werden. Wer das Geld für die Grundschule nicht aufbringen kann, dessen Kind wird gnadenlos nach Hause geschickt. Wer Jura studieren will, zahlt etwa das Doppelte dessen an Studiengebühren, was ein Lehramtsstudent bezahlen muss. Der Besuch einer der nationalen Elitegymnasien kostet etwa 1.000 € im Jahr – nur für Reiche finanzierbar, es sei denn, das Kind kommt mit einem Top-Zeugnis und wird so von den Studiengebühren befreit.

Mein Sohn sagt, am besten gefalle ihm an Kenia die Freundlichkeit der Menschen. Und die ist tatsächlich bemerkenswert. Obwohl man als Europäer auffällt, mindestens so wie ein Farbiger in Deutschland auffallen würde, ist ein allgegenwärtiger Respekt und ein immer wieder gerufenes „Welcome to Kenia!“ prägend für denUmgang, frei von allen Formen der Aufdringlichkeit. Nervend ist nur das ewige „How are you!“ der Kinder, das uns hinterher gebrüllt wird, wo auch immer wir langgehen. Der vermutlich einzige Satz, der aus dem Kindergartenglisch haften bleibt. Oder man ruft einfach im Chor „Msungu!“ (Weißer!).

Eric Pawlitzky Diana-041540

Ich mag die kenianischen Landschaften. Diese werden auch von den Kenianer selbst immer wieder als der eigentlich Reichtum des Landes wahrgenommen. Es ist eine erstaunliche Vielfalt an Naturräumen und geologischen Besonderheiten auf engstem Raum. Die hingestreute Vegetation erinnert an Gemälde der deutschen Romantik. Die Farben, das Licht ohnehin. Und das Land ist irre grün. Die Regenperioden sind so über das Jahr verteilt, dass die Extreme nicht all zu heftig ausfallen.

Die Infrastruktur hingegen entwickelt sich nur langsam. Die einzige Eisenbahnlinie des Landes wird nur noch sporadisch bedient. Straßen im ländlichen Raum bestehen aus einem Gemisch aus Schotter und Lehm, sind nur selten asphaltiert oder wenigstens planiert. So ist denn das Motorrad gleich nach dem Bus das wichtigste Verkehrsmittel im Land. Selbst die Straße in den Nationalpark Maasai Mara ist so schlecht, dass einem nach zwei Stunden Fahrt einfach nur noch der Kopf dröhnt von dem ewigen Geschüttel. Angeblich wird diese Straße nicht erneuert, weil der Präsident den Westen Kenias nicht mag.

Ähnlich verhält es sich mit dem Tourismus. Das trügerische Schild „Hotel“ hängt an der kleinsten Bretterbude und meint eigentlich „Restaurant“. Das, was wir unter Hotel verstehen, findet sich am ehesten in der Umgebung touristischer Attraktionen und wird dann oft von Ausländern betrieben. Auch gibt es im Land zahlreiche kleine Flugplätze, die vorwiegend dem Transport der Touristen dienen – verständlich, denn der Transport auf dem Landweg ist abseits der Straßen eine harte Probe für Sitzfleisch und Geduld.

Interessant ist auch die Siedlungsstruktur. Dörfer im europäischen Sinne gibt es nur wenige. Vielmehr verteilen sich zahllose Gehöfte über das Land, oft ein einfaches Haus mit Wellblechdach, jeweils umgeben von vielleicht ein zwei Hektar Land, welches mit immerhin drei Ernten pro Jahr bestellt werden kann. Dennoch: auch in Kenia gibt es inzwischen große Farmen, oft in der Hand südafrikanischer Siedler, europäischer und chinesischer Konzerne, und auch die Teeplantagen sind keineswegs kleinteilig angelegt. Betrachtet man aber Hügel oder Tiefebenen von Weitem, sieht man wie hingestreut die Hüttendächer glänzen. Bäume stehe eher vereinzelt, aber doch in großer Zahl. Die einfache Unterscheidung zwischen Siedlung, Wald und Feld, wie sie für europäische Landschaften typisch ist, gibt es nicht.

Was man während der Reise kaum merkt: das Land ist ausgesprochen gebirgig. Nicht nur große Erhebungen, wie der Mount Kenia sind zu verzeichnen, sondern auch ausgedehntes Hochland mit um die 1.500 m über dem Meeresspiegel. Ein ideales Teeanbaugebiet.

Wie so oft in Afrika ist Wasser die alles entscheidende Ressource. Fließendes ist die Ausnahme. Selbst in Nairobi mussten wir verblüfft feststellen, dass der Neubaublock, in dem Christopher wohnt, zwar Wasserleitungen und Hähne für die jeweiligen Wohnungen besitzt, nicht jedoch einen Anschluss an die zentrale Wasserversorgung der Stadt. Also bringen Tanklaster das Wasser und pumpen es hinauf in die Zisterne auf dem Dach. Das ist immer noch besser als die Versorgung mit Kanistern, die von einer Quelle mit Eseln oder auf dem Kopf herbeigeschleppt werden müssen. Ebenso verblüffend für uns: ein Wohnzimmer ohne Außenfenster. Tageslicht gibt es nur aus dem Treppenhaus, welches von einem Dachfenster beleuchtet ist. Aber vielleicht ist ja Schatten ebenso kostbar wie Wasser.

In den Städten gibt es Neubaublocks aus Beton und Ziegeln. Auf dem Lande sind einfach gemauerte Häuschen und auch Lehnhütten die Regel. Jeweils mit Blech bedacht, welches einfach auf eine Holzkonstruktion geschraubt wird. Die Dachstühle darunter werden oft aus Ästen gezimmert.

Das Internet in Kenia läuft in erster Linie auf mobilen Strukturen. Die Menschen nutzen WhatsApp mit ihren Telefonen, E-mails sind eher die Ausnahme und High-speed-Anschlüsse gibt es nur in größeren Städten. Während das elektronische Bezahlen mit MPESA über Mobiltelefone gut funktioniert (und zugleich auch die ansonsten erforderlichen Bargeldbestände vor Diebstahl schützt), ist das Onlinebanking via Internet weitgehend unbekannt. MPESA lässt ferner nur relativ geringe Maximalbeträge für Zahlungen zu. Für größere Überweisungen muss man sich daher zur Bank begeben und in großen Schalterhallen Stunden mit dem Anstehen und dem Ausfüllen von Überweisungsträgern verbringen.

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