Kategorie: Polen

Pisz und Pilchy

Alles nur wegen einem kleinen Dorf. In Pilchy hat Claudias Mutter Ihre Kindheit verbracht. Das wollten wir Simon mal zeigen, und auch ich war neugierig.

 

Um dieses Ziel zu erreichen haben wir vorgestern mit der Eisenbahn einen Umweg von ca. 200 km geschrubbt, sind gestern 24 km gepaddelt, davon 20 mit Gegenwind…geschafft. Doch nun im Einzelnen.

 

Vor drei Tagen waren wir noch in Suwalki. Hier noch ein architektonisches Detail aus unserem Hotel dort:

 

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Von dort ist es nach Pilchy eigentlich nur ein Katzensprung. Aber der Bus am frühen Nachmittag fährt leider nicht täglich, wie wir etwas zu spät erfuhren, die Bahnstrecke zwischen Suwalki und Elk ist unterbrochen, wird gegenwärtig nicht bedient. Trampen mit unserm ganzen Gepäck ist unrealistisch. Und einen weiteren Tag in Suwalki verbringen – das wollten wir auch nicht. Also sind wir denn ca. 140 km nach Süden gefahren, mit der Eisenbahn nach Bialystok. Das war im klimatisierten Dieseltriebwagen (Bombardier) recht angenehm. Hier der Blick auf eine Bahnstation unterwegs, wie man sie auch in Kenia finden könnte. Ja, diese Ecke in Polen war lange SEHR arm. Aber, so ein Stundent im Zug: die letzten 10 Jahre EU-Mitgliedschaft haben zu spürberen Verbesserungen im Alltag geführt, z.B. in Gestalt moderner Züge.

 

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In Bialystok eine knappe Stunden Aufenthalt, das reichte für einen Becher Borschtsch (Suppe) und zwei wabbelige Burger in einem Kiosk, in dem wir mit der Betreiberin ein nettes Gespräch führten.

 

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Dann ging es mit dem Zug im spitzen Winkel wieder nach Nordwesten zurück (auf diese Weise haben wir uns vom Ausgangspunkt der Reise etwa 50 km nach Westen bewegt). Hier (Bild unten) versucht sich ein Herr an der Klimatisierung unseres Abteils im Zug nach Grajewo, dieser fuhr dann noch weiter nach Gdynia.

 

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 Von Grajewo fuhr dann ein Bus nach Pisz, wo Claudia ein schönes Hotel an einem See gebucht hatte (das war einer der Gründe, warum wir unsere Reisepläne nicht spontan ändern wollten).Hier sitzen wir aber noch im Buswartehäuschen in Grajewo – bei gefühlten 40 Grad im Schatten und einem Schwarm Fliegen. 

 

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Pisz ist ein kleines Städtchen in den Masuren, es liegt an dem Flüsschen Pisa, welches sein Wasser aus dem Roz-See erhält, dieser liegt am südlichen Rand der masurischen Seenplatte.

 

 

Das Hotel wurde erst vor 5 Jahren gebaut und verfügt über Badestrand, Tennisplätze und eine kleine Marina.

 

 

Vorgestern sind wir durch Pisz geschlendert. Pisz hat die wirklich guten Zeiten auch noch vor sich, aber die attraktive landschaftliche Lage lässt einiges erhoffen. Hier Bootshäuser am Ufer gegenüber dem Hotel.

 

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Die Eisenbanhbrücke über die Pisa, da wollen wir heute noch drüberfahren.

 

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Blick über den Fluss zum Rathaus.

 

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Ein frisch sanierter Wohnblock. Oder doch der clever getarnte Sitz eines speziellen Gewerbebetriebes?

 

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Die Kirche von Pisz. Ja, diese Gegend war nie von großem Reichtum gesegnet.

 

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Nein, das Bild unten zeigt nicht das Planetarium von Pisz, es ist der Sitz des Nagelplaneten!

 

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In dieser Zoohandlung gibt es besonders kräftige Gorillas zu kaufen. Oder wird vor dem unkontrollierten Eigenverzehr von Tiernahrung gewarnt?

 

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Am Nachmittag konnte sich Simon endlich im See austoben.  Wir haben recherchiert, wie man denn nach Pilchy kommen könnte. Fahrrad bei 30°C und einer Fahrstrecke von mehr als 60 km (um den See rum und zurück) war uns zu fett. Taxi für die gleiche Strecke zu teuer, außerdem wollten wir nicht das Dorf besichtigen mit einem wartenden Taxifahrer im Nacken.

 

Also doch paddeln. Das Problem war nur: wir passen mit Simon nicht mehr in die vorhandenen Zweier-Kajaks. Ein Einer war weit und breit nicht zu beschaffen, Dreier gleich gar nicht. Also haben wir zwei Zweier-Kajaks gemietet und vorsorglich zwei Seile beschafft: eines zum Abschleppen von Claudia, die im Einer fuhr, das andere zum Abschleppen von uns dreien durch einen barmherzigen Segler oder Motorbootbesitzen. So viel vorab: diese zweite Seil haben wir leider umsonst mitgenommen. Aber das erste war schnell gespannt, denn ein kleiner boshafter Gegenwind machte uns auf den ersten 8 km auf dem Roz-See doch zu schaffen. Und mindestens aus Gründen der moralischen Bindung haben wir Claudia gleich am Anfang unterstützend ins Schlepp genommen.

 

Pilchy haben wir nach drei Stunden erreicht, was für 12 km und einen nur gelegentlich mitpaddelnden Simon eine gute Zeit ist. Die etwas armseligen Hozpaddel waren für ihn schlicht zu schwer, es war für Simon mehr Gewichtheben, denn Wassersport.

 

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Nach der Ankunft erst mal ein Bad im See.

 

Pilchy war schon vor 80 Jahren ein armseliges Kaff auf einer Halbinsel im Roz-See. Am besten noch im Winter zu erreichen, wenn die Seen zugefroren sind und man, um in die nächste größere Kleinstadt zu gelangen, einen gigantischen Umweg vermeiden kann.

 

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Irenes Grundschule (oben) ist jetzt eine Station der biologischen Fakultät der Uni Warschau. Es stehen noch einige Häuser aus den zwanziger Jahren, es gibt keine Kirche, es stehen sehr viel Häuser zum Verkauf, aber es wird auch neu gebaut. Offensichtlich ist das Dorf auf dem Wege zur Ferienkolonie für Städter. Aber die nachfolgenden Bilder sprechen für sich. Oder ich schreib was dazu…

 

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Simon auf der Dorfstraße.

 

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Das Programm gegen den Bevölkerungsrückgang in Pilchy hat zu verschiedenen konkreten Maßnahmen geführt.

 

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Abriss und Neubau.

 

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Neubau

 

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Drei Urlauber und ein Hund auf der Dorfstraße.

 

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Seegrundstück, auf Investoren wartend.

 

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Ruinenporno.

 

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Und hier irgendwo (Bild unten) stand Irenes Haus. Die Familie ist nicht umsonst ausgewandert, in den zwanziger Jahren, ins Ruhrgebiet.

 

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Die Hoffnung auf Rückenwind für den Heimweg erfüllte sich leider nicht. Aus zwei Stöcken und einem Handtuch hatte ich mit Simon ein Segel gebaut. Es kam leider nur minutenweise zum Einsatz, wenn der Wind ausnahmsweise mal günstig stand.

 

Heute fahren wir – so der Plan – mit der Eisenbahn von Pisz über Elk, Bialystok und Warschau nach Lublin. Ja, wir verzichten auf die Tippeltappeltour entlang der Grenze. Dort gibt es Bahnlinien, aber wie oft die an einem Samstag bedient werden, wollen wir nicht erproben. Immerhin wird uns auch die „schnelle“ Strecke über Warschau 12 Stunden Bahn in brütender Hitze bescheren.

Suwalki

Ach, Suwalki, bei Dir machen wir nur Station, weil gestern kein Bus mehr nach Pizs fuhr. Und dort wollen wir eigentlich nur hin, weil Claudias Mutter dort geboren wurde und die van Laak`sche Familie da ihre Wurzeln hat.

 

Jetzt sitzen wir in einem verregneten Ort, der so gar nichts zu bieten hat. Und unser Bus fährt auch erst am Nachmittag weiter, so dass wir erst gegen Abend das eigentliche Ziel erreicht haben. Das einzige, was Suwalki dem Rest Europas voraus zu haben scheint, ist die Vorbereitung auf des Weihnachtsfest…oder auch nicht.

 

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Gestern haben wir auch schon einen Vormittag in Marijampole erschlagen, denn von dort fuhr der Zug auch erst am Nachmittag weiter. Immerhin haben wir noch den drei Gotteshäusern (Gott muss dort oft zu Besuch sein) einen Besuch abgestattet.

 

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fruehere Synagoge (jetzt Bibliothek)

 

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Katholische Kirche

 

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Orthodoxe Kirche

 

Und ein Gebäude, dass erst der Gestapo diente, dann dem NKWD und das jetzt eine Bank beherbergt. Merkwürdig.

 

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Danach ging es mit der Litauischen Rumpeleisenbahn bis nach Sestokai, dann dort umgestiegen in die polnische Bahn. In Waggons aus dem VEB Waggonbau Görlitz fuhren wir durch eine hügelige Landschaft. So ruhig und komfortabel der Zug auch über polnische Gleise rollte, draußen waren nur noch Wälder, Wiesen, Felder und vereinzelte Häuser zu sehen. Nicht mehr durch Asphaltstraßen, nur noch durch Sandwege verbunden.

 

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In Suwalki half uns ein Taxifahrer weiter. Er sprach gebrochen englisch, französisch, deutsch und russisch. Überall hatte er schon mal gearbeitet und sich gezwungenermaßen auch dem schulischen Russischunterricht ausgesetzt. Er fuhr uns erst mal zum Geldautomaten, vorbei am neuen Spaßbad, am neuen Theater, an der neuen Shoppingmall – alles weit ab vom Zentrum auf einer alten Militärbrache. Dann standen wir im Stau, denn die Stadt wird täglich von 7.000 Sattelzügen durchquert, die PKWs kommen dazu. Alles Transit.

 

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Mariampole kannte unser Chauffeur auch. Er erklärt: Wenn in Deutschland ein Gebrauchtwagen noch 500 € bringt, dann kostet er in Polen 4.000 €. Aber in Marijampole kann man das gleiche Modell für 2.000 € erwerben. Die Masse machts dort, und von Suwalki sind es keine 150 km. So nimmt es denn kein Wunder, dass wir auf einem der Bahnhöfe einen jungen Mann aus Tschechien mit Nummernschildern trafen.

 

Gestern Abend sind wir durch die Fußgängerzone geschlendert. Ich habe das Hinterland einiger Hofdurchfahrten fotografiert. Das sieht dann immer aus wie das Licht am Ende des Tunnels.

 

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