Vorgestern (Freitag 11.01.) war „Simon-Tag“. Das hieß – Ausflug in einen der größten Vergnügungsparks der Stadt im Tigre-Delta.

Dazu fuhren wir mit der Metro und zwei Vorortzügen ca. eine Stunde entlang der Küste, wobei uns die Ausmaße der Stadt noch einmal vor Augen geführt wurden. Buenos Aires zieht sich etwa 40 km hin, was bei 24 Mio. Einwohnern ( zwei Drittel der Argentinier leben in Buenos Aires) kein Wunder ist.

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Die argentinische Eisenbahn ist eine Mischung aus Glanz und Elend. Es gibt pompöse Bahnhofe aus dem 19. Jahrhundert voller ornamentaler Pracht, die leider ein liebloses Dasein fristen. Die Bahnhöfe auf der Strecke wurden fast alle zu luxuriösen Restaurants umgebaut. Sie sind aus der Zeit Ihrer Errichtung noch nahezu unverändert erhalten geblieben und sehen aus wie aus dem Modelleisenbahnkatalog.

Das ist eine Erscheinung, die auch im Stadtbild prägend ist: die wirtschaftlichen Probleme der letzten Jahrzehnte haben großflächigen Abriss oder „Fassadenmodernisierung“ verhindert. So stehen moderne Gebäude neben sorgfältig restaurierten. Natürlich gibt es auch viele billige Zweckbauten und heruntergekommene Altbauviertel. Auch eine Besonderheit in diesen Breiten: das Wohnen im Hochhaus ist bei den privilegierten Schichten durchaus beliebt. Es werden nicht nur Bürobauten errichtet, sondern sehr ansehnliche Wohntürme mit pompösen Eingangshallen, Portier, Fitnessstudio, Mietbüros, Tiefgarage und Sicherheitstechnik. Traditionelle Einfamiliehäuser oder Reihenhäuser sehen deutlich individueller aus als in Deutschland und sind erst weit entfernt vom Stadtzentrum anzutreffen. Dort findet man kleine Fachwerkhäuschen, Villen im Tudorstil, Fincas, Gebäude im Bauhausstil und europäisch anmutende Häuser mit Satteldach.

Das Schienennetz der argentinischen Bahn würde man in Deutschland sicherlich komplett zur Langsamfahrstrecke degradieren. Hier jedoch wird geheizt, dass es nur so rumpelt und kracht. Die Züge fahren mit stets offenen Fenstern (die Busse sogar mit offenen Türen). Die Spurweite ist breiter als in Deutschland, bei zweigleisigen Strecken herrscht Linksverkehr, was uns schon mal in den falschen Metroeingang herabsteigen ließ, und die Vorortbahn fährt mit Stromschiene wie die Berliner S-Bahn. Das letzte Stück vor dem Tagesziel, dem Tigre-Delta bewältigten wir jedoch in einer neu gebauten Strecke mit Oberleitung und klimatisierten Triebwagen. Dort wurden die Fahrscheine gleich drei mal kontrolliert: beim Einsteigen vor dem Betreten des Bahnsteiges, im Zug und nochmals bei Verlassen des Bahnsteiges. Der Verlust des Fahrscheines kann da teuer werden, zumal auf dieser Strecke Touristen Sonderpreise zahlen müssen.

Der Eintritt in der Vergnügungspark kostet umgerechnet 7 € pro Person, was für argentinische Verhältnisse sehr teuer ist. Allerdings sind für viele der Attraktionen nochmals extra Gebühren zu entrichten und am Eingang wird kontrolliert, ob man auch ja keine mitgebrachten Lebensmittel in den Park schmuggelt. Die größte Enttäuschung waren jedoch diverse Messlatten an den Karussells, nach denen Simon oft als zu klein der Zugang verwehrt wurde. Davon war am Eingang nichts zu lesen. Also merken: sinnvoll ist ein Besuch erst ab 1,30 m Körpergröße.
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Dennoch haben wir fast 6 Stunden in glühender Hitze damit verbracht, zahllose Hüpfburgen, Karussells, Autorennbahnen und Kindereisenbahnen zu testen.

Zwischendurch gab es eine Dampferfahrt auf dem Tigre, dessen Wasser von mitgeführten Sedimenten ganz gelb ist. Das Flussdelta ist ähnlich wie der Spreewald mit zahlreichen Armen und Kanälen durchzogen. Die Wassergrundstücke sind teilweise recht luxuriös aufgemacht und das ganze Treiben dort erinnert ein wenig an die Wasserlandschaft in Brandenburg.

So wie die Argentinier das Thema Müllsentsorgung nicht ganz so ernst nehmen, sah es auch am Flussufer abenteuerlich aus. Nicht nur ein vermutlich stillgelegter Hafen, sondern auch einige andere Stellen am Flussufer waren gespickt mit vor sich hin rostenden Schiffswracks.
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Im Vergnügungspark sind uns noch weitere Dingen aufgefallen: das verblüffend niedrige Alter der Angestellten – einige haben wir auf 12 bis 14 geschätzt – und zahlreiche „Duschen“. Tunnels mit Wassernebel versprühenden Düsen, durch die man hindurchgeht und die etwas Abkühlung verschaffen.
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Eine interessante Erscheinung sind unzählige Metro-Händler. Die Leute – manchmal mit Behinderung – laufen durch die Wagons und verteilen Postkarten, kleine Taschenlampen, Heiligenbildchen, selbstgedruckte Gedichtbändchen, Spielzeug … nach kurzer Zeit kommen sie wieder vorbei und nehmen die Dinge zurück oder einen kleinen Geldbetrag. Eine elegante Form des Bettelns.

Neben dem Stand des Müllsortierers gibt es – ebenso wie in Brasilien – professionelle Hundeausführer, die zum Teil mit zehn Hunden unterwegs sind, die kurioserweise diszipliniert nebeneinander hertrotten, ein wenig wie Kindergartenkinder.
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Gestern sind wir – nach einem erkundenden Morgenspaziergang von mir – durch die Avenida Devensa geschlendert. Die führt mitten durch San Telmo zur Plaza de Mayo, dem Ort vor dem Parlament, an dem die berühmten Demonstrationen der Mütter „Verschwundener“ während der Zeit der Militärdiktatur stattgefunden haben.

Die „Devensa“ ist eine einzige Kette von Antiquitätenläden. Und während wir im Flug zeug noch darüber belehrt wurden, dass es unerwünscht sei, Antiquitäten außer Landes zu bringen, scheinen die Hauptstädter einen radikalen Ausverkauf ihrer Geschichte zu betreiben. In den Antiquitätenläden, es gibt auch entsprechende Supermärkte, z.B. umgebaute Kinos, gibt es schier alles, einschließlich NVA-Mützen. Das war auch für Simon ein unterhaltsames Stöbern. Die erhofften Tango-Schuhe (kosten hier 1/3 von dem, was in D fällig wäre) fand ich allerdings nicht und auch die wunderschönen Hüte aus den 50igern passten meinem Dickschädel nicht. Das liegt wohl auch daran, dass die Argentinier insgesamt deutlich kürzer wachsen als die Europäer. Dafür haben wir für Claudia aber eine schöne, von einem Künstler handbemalte Handtasche gekauft.

Mit Argentinien haben wir insgesamt eine gute Wahl getroffen. Die Leute sind ausnahmslos sehr freundlich zu uns. Das geht so weit, dass Erwachsene aufstehen und Simon in der Metro einen Platz anbieten. In der voll besetzten Metro sahen wir eine gut gekleidete Mutter ein etwa zweijähriges Kind stillen, ohne dass irgendjemand großartig Notiz davon nahm. Unsere australischen Bekannten berichteten aber auch von Schwierigkeiten, ein Quartier zu finden, weil einige Hotels Kinder erst ab 12 aufnehmen. Allerdings wurde in Restaurants immer sehr aufmerksam auf die Belange von Simon eingegangen. Selbst bei meinen morgendlichen Spaziergängen ab 07.00 h werde ich oft spontan gegrüßt. Wenn ich Leute fotografieren will, genügt oft ein fragendes Lächeln oder Nicken des Kopfes, um die Zustimmung dazu zu erhalten. Und auch von den Ärmsten kommt oft interessierte Freundlichkeit und nicht abweisende Verbitterung. Aggressive bettelnde Kinder sind uns hier noch nicht begegnet.