Es ist verblüffend, wie fern sich die Länder der EU sind, die unmittelbar aneinander grenzen. Gewiss gibt es da Unterschiede. An der niederländischen Grenze im Nordwesten Deutschlands, in Gronau, fahren wieder Züge in das benachbarte Enschede.

 

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Krass war es dagegen gestern wieder an der Grenze zwischen Slowakei und Ungarn. Wir fuhren mit einem kleinen Dieseltriebwagen in dessen Anhänger (mit Panoramablick am Zugende) bis in den slowakischen Grenzort Turna nad Boudva. Dort war dann definitiv Schluss. Kein Bus, kein Taxi in diesem winzigen Ort.

 

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So trabten wir erst mal mit unserem Gepäck in die Mitte des Ortes. Unterwegs haben wir gefragt, ob es nicht vielleicht doch einen Bus gibt in das 8 km entfernte ungarische Dörfchen Turnadarsa. Nichts.

 

Dann haben wir begonnen, Autofahrer anzusprechen. Allgemeines Schulterzucken, wir haben ja auch ein bisschen viel Gepäck dabei und sind einfach zu dritt. Dann beim 4. Versuch vor der Post endlich Erfolg. Ich spreche zwei junge Männer in einem Kombi an und winke mit 10 €. Einiges Zögern, keiner versteht die Sprache des anderen. Dann rennt einer der Männer in die Post und kommt mit einer Frau wieder, die sehr gut deutsch spricht. Sie klärt mich erst mal auf, dass für 10 € nix läuft und ich schon mal einen Zwanziger hinlegen muss. Ich willige ein und sie beginnt, die immer noch zögernden Jungs zu bearbeiten, bis diese schließlich einwilligen, die Tour zu machen. Wir steigen erleichtert ein.

 

Doch dann beginnen neue Probleme: kurz hinter der slowakischen Grenze verlieren die beiden die Orientierung. Ich zücke mein iphone und schalte die Kartenfunktion ein. Sie schauen da drauf und wenden plötzlich, fahren zurück, auf irgendeinen asphaltierten Feldweg in das Nachbardorf. Dann müssen sie halten und fragen. Wir können mangels Sprachkenntnissen nichts erklären, sitzen hilflos im Fonds des Wagens. Es geht weiter und plötzlich stehen wir wieder an der gleichen Stelle hinter der slowakischen Grenze, an der der Wagen wendete. Jetzt konnte ich die beiden aber überzeugen, einfach weiter Richtung Ungarn zu fahren. Und siehe da, neben uns verlief die Bahnstrecke und endlich waren wir vor dem Bahnhof vom Turnadaska, dem ungarischen Grenzort.

 

Wir waren erleichtert, übergaben die sauer verdienten 20 € an unsere Chauffeure, wobei sich noch herausstellte, dass der Fahrer, den man auch für einen Roma hätte halten können, aus Syrien stammte – so klein ist die Welt.

 

Nun standen wir gemeinsam mit etwa 10 aufgeregten Roma-Kindern auf einem winzigen, aber durchaus gepflegten Bahnhof. Und wieder eine Überraschung: der junge Stationsvorsteher sprach fließend deutsch. Was macht ein junger Mann mit derart guten Fremdsprachkenntnissen auf einem winzigen Dorfbahnhof? „Nun ja“, erklärt Tibor, „ich studiere Soziologie und Demographie. Meine ganze Familie arbeitet seit zwei Generationen bei der Eisenbahn. Und hier fahren so wenig Züge, da hab ich zwischendurch sehr viel Zeit zum Lernen.“ „Aber so ein Dorf – das ist doch nichts für ein Studentenleben!“ erwidere ich. „Ich habe ja hier im Bahnhof auch eine kleine Wohnung, in der ich mit meiner Freundin lebe. Aber das Dorf ist schon ein wenig kaputt. Hier leben inzwischen 40 % Roma. Die Kinder gehen einfach nicht zur Schule, wenn das Wetter schön ist. Die Eltern bekommen 80 € im Monat, das reicht gerade so zum Leben, wenn man keine Miete zahlen muss. Mehr wollen die eben nicht.“

 

Und tatsächlich bekamen wir kurz darauf einen kleinen Eindruck von den Zahlenverhältnissen. Der Zug fuhr ein und heraus strömten etwa 50 Kinder und Jugendliche, die offenbar von einer Ferienfahrt zurück kehrten. Freudige Brgüßung durch die auf dem Bahnhof wartenden Roma, dann war außer dem Tuckern des Zuges nichts mehr zu hören.

 

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Aber statt die 8 km weiter zu fahren, die es bis in die Slowakei sind, blieb der eingefahrene Zug einfach eine gute halbe Stunde im Bahnhof stehen. Eine gute Gelegenheit für ein Porträt von Tibor in voller Montur.

 

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Dann tauchten zwei Nonnen auf mit Fahrer und einer Frau, die offenbar eine Aufenthalt im nahe gelegenen Kloster hinter sich hatte. Eine der Nonen sprach deutsch und wir kamen etwas ins Gespräch. „Ja, früher, da gehörte Kaschau (Kosice) ja noch zu Ungarn! Da fuhr die Eisenbahn noch durch.“ „ Vor dem Vertrag von Trianon“ schaltete sich die Klosterbesucherin ein, „da konnte man mit der Eisenbahn überall in Ungarn herumfahren, richtige Rundreisen konnte man machen. Jetzt ist Ungarn viel kleiner! Und alles konzentriert sich auf Budapest.“ „Seien wir doch einfach froh, dass die Grenzen immer durchlässiger werden“ , wandte ich ein, „und vielleicht fährt ja eines Tages auch wieder ein Zug von einem Land ins andere.“

 

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Irgendwann ratterte dann auch der Zug nach Miscolc endlich los. Dort angekommen stiegen wir in den Schnellzug, der erstaunlicherweise in dem 5.000-Seelen-Dorf Tokaj hält. Dort fanden wir wenige Schritte vom Bahnhof entfernt ein sehr preiswertes Appartment.

 

Tokaj hat uns neugierig gemacht wegen des berühmten Weines. Das Dörfchen ist offenbar auf Bustourismus eingestellt. Als wir aber ein wenig durch den Ort schlenderten, war der Rummel schon vorüber.

 

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Die abendliche Theiß.

 

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Die Nacht war dann wiederum stark vom Thema Eisenbahn geprägt. Auf der elektrifizierten Strecke ratterten doch eine ganze Menge Züge vorbei. So gut es für den nächsten Morgen war, einen kurzen Weg zum Bahnhof zu haben, so merkwürdig war doch das Gefühl, akkustisch gesehen direkt neben dem Gleis zu schlafen. Simon fühlte sich gleich an die berühmte Hotelszene aus dem Film Bluesbrothers erinnert. Hier unser Frühstücksplatz, verkehrsgünstig gelegen.

 

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