Kurz nach unserer Ankunft auf dem Bahnhof von Tokaj fuhr ein Zug ein. Das könnte der Zug nach Debrecen sein. Und dies bestätigte uns auch eine junge Frau, die wir vergewissernd fragten.

 

Als dann der Zug aber zwei Minuten vor der eigentlichen Abfahrt losfuhr, wurden wir stutzig. Als der Zug im nächsten Dorf hielt und auf der eingleisigen Strecke einen Schnellzug überholen ließ, war klar: wir sitzen im falschen Zug.

 

Der wollte dann auch in der nächstgrößeren Stadt nicht weiter fahren. Ein älterer Herr war so freundlich, uns darauf aufmerksam zu machen, dass unser Zug in wenigen Minuten zurück nach Miscolc fährt, also schnell alles zusammenpacken und raus. Immerhin gab es einige Gleise weiter einen Anschlusszug nach Debrecen. Aber ob der so schnell ist, dass wir unseren Zug nach Baia Mare noch erreichen?

 

Wir hoffen auf die allgemeine Tendenz zur Verspätung. Aber als wir auf dem Bahnhof in Debrecen ankommen und hektisch nach dem richtigen Bahnsteig für den Anschlusszug suchen, erfahren wir, dass unser Zug pünktlich abgefahren ist. Zu spät.

 

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Fünf Stunden Wartezeit bis zur nächsten Verbindung. „Jetzt vergeigen wir wegen dieser dummen Tussi fünf Stunden“ murmle ich wütend vor mich hin. „Manche vergeigen wegen einer Tussi ihr ganzes Leben“ antwortet Simon.

 

Also schließen wir den Teil des Gepäcks, der in ein Schließfach passt ein: meinen Rucksack auf der Sackkarre leider nicht…

 

Debrecen habe ich während meiner ersten Ungarnreise vor etwa 30 Jahren irgendwie angesteuert und dann abratenden Autofahrern Folge geleistet und bin woanders hin, oder ich war so kurz hier, dass ich mir nur gemerkt hatte: es lohnt sich nicht wirklich.

 

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Wir schlendern eine Allee entlang, die zumindest am Anfang noch einen sehr „sozialistischen“ Eindruck macht.

 

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Dann werden die Häuser mit der Entfernung zum Bahnhof etwas üppiger, wenn auch hinter jeder Tordurchfahrt die Tristesse gähnt. Schließlich nehmen wir an einem Springbrunnen Platz. Es sind wieder deutlich über 30°C.

 

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Simon hat während der Umsteigerei seine Mütze verloren. Wir nutzen die Zeit um in einer modernen Shopping-Mall eine neue Kopfbedeckung für ihn zu kaufen. Seit dem ist alles nur noch Blues-Brother.

 

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Aber auf dem Weg von der Shopping-Mall dann plötzlich eine Überraschung: während ich noch sinne, dass einer solchen Stadt eigentlich nur noch mit einem frechen Museum für moderne Kunst geholfen werden könnte, sonst bliebe alles ewig Salami, stehen wir genau vor einem solchen Haus. Es ist im Jahre 2007 gebaut worden und wir sehen eine Ausstellung mit verschiedenen Auffassungen zum Surrealisimus und frühen Realismus sowie eine Sonderausstellung mit zahlreichen Werken von Endre Tot, einem zeitgenössischen Ungarn. Also ein klimatisiertes Museum statt Mittagshitze. Hier einige Eindrücke:

 

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Auf dem Bahnhof von Debrecen, einem Bau der 70iger Jahre, sammle ich noch einige Impressionen, dann sitzen wir in einem internationalen Bummelzug, der für die wenigen Kilometer bis nach Baia Mare im Nordwesten Rumäniens fast fünf Stunden braucht. Er hält nicht nur gut 30 Minuten an der Grenze – ja, hier werden noch die Pässe kontrolliert – er macht das unterwegs auch noch an zwei anderen Stellen, so z.B. in der etwas größeren Stadt Satu Mare. Aber immerhin überquert dieser Zug noch die Grenze, lediglich Lok und Personal wechseln.

 

Im Zug machen wir die Bekanntschaft von Gabriela, eine in Baia Mare lebende Ungarin, die mit ihrer Freundin zurück in die Heimat fährt. Sie kann ein paar Brocken Deutsch und gibt uns einige Besichtigungstipps für Baia Mare, zum Schluss sogar ihre Adresse, falls wir Fragen und Probleme hätten.

 

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Draußen vor den Fenstern rauscht das Wohlstandsgefälle vorbei. Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien – immer geht es ein Stück abwärts mit dem Zustand der Häuser auf den Dörfern. Sind es in der Slowakei vor allem die Roma-Siedlungen am Rande der Städte, die deprimierend ins Auge fallen, ist es in Rumänien der Zustand der Dörfer ganz allgemein. Wasser wird ab und zu noch aus dem Brunnen geschöpft, die Straßen sind oft nicht einmal asphaltiert.

 

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Die Gegend ist agrarisch geprägt, die Bahnlinie wird gesäumt von Speichern aller Art, auch gigantischen Neubauten der Agrarindustrie und riesigen, stinkenden Schweinemastanlagen. Daneben Bauindustrie und Holzverarbeitung. Der Zug kriecht mit höchstens 30 km/h dahin, manchmal durch einen regelrechten Tunnel aus Gestrüpp. Was ist mit der EU-Richtlinie 1115558933 vom 11.2.2010, die den Abstand von Gleisen zum Bewuchs festschreibt?

 

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Endlich, am späten Abend erreichen wir völlig durchgeschwitzt Baia Mare.

 

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