Tatsächlich wird mein Name gerufen, als ich mich durch die ganzen Leute dränge mit meinem Gepäck und ständig mit „Taxi, Taxi!!!“ angebrüllt werde. Philip hatte es nicht schwer mit meiner weißen Brille und dem kahlen Schädel. Der Bahnhof hatte einen beängstigend kleinen Ausgang, alles quetschte sich an der einzigen Treppe nach draußen, komisch, und dann das gleiche wie in Nairobi, eine leerer Vorplatz, der Parklatz 100 m entfernt.

Wir setzen uns in einen kleinen Toyota und zu meiner Überraschung wird mir auch Gregory vorgestellt, der eigentliche Fahrer. „Zwei sind besser“, meinen meine Begleiter, und das zeigt sich auch schnell in den kommenden Tagen.

Erst mal holpern wir über Sandwege Richtung Innenstadt. Für die 15 km zum Hotel werden wir eine Stunde brauchen, es ist kurz nach Mittag und eine der drei Rush-hours in Mombasa ist ausgebrochen. Da hätte uns auch eine befestigte Zufahrt zum Bahnhof nicht geholfen, wohl aber eine Bahnhof in der Innenstadt.

Wie sich herausstellt, haben meine Begleiter von der Innenstadt kaum einen Schimmer, sie kommen eigentlich aus dem 50km entfernten Kilifi. Von dem Navi in meinen iphone sind sie begeistert.

In dem Hotel, welches ich gebucht habe, erwartet uns Raphael. Er ist um die 40, Gewerkschaftsfunktionär und Autovermieter. Mit ihm mache ich später im Stau, als wir versuchen, ihn in Richtung Flughafen zu transportieren, das Finanzielle, irgendwie im Auto beim Stop-and-go.

Aber erst mal betrete ich erstaunt das Hotel, welches ich gebucht habe. Das wirkt eher wie der Eingang zum Basar von Istanbul: ein improvisiertes Internetcafe, eine Handyaufladestation, eine Pizzabude und in einer Ecke die etwas heruntergekommene Rezeption, vollgestellt mit diversem Trödel. Ich lasse mir erst mal das Zimmer zeigen. An der Tür ein Zettel in allen wichtigen Sprachen: alle Wertsache unbedingt in der Rezeption abgeben. Was ist bei mir gegenwärtig nicht wertvoll? In Gedanken sehe ich mich jeden Morgen beim Packen. Na gut, denke ich, Luxus muss ja nicht sein. Ich checke ein. Unten in der Kneipe sitzt Raphael mein Autovermieter und macht irgendwelche Geschäfte. Im Zimmer tröpfelt das Wasser nur aus dem Hahn, deshalb liegt also der große Plastikbecher im Waschbecken. An der Dusche sieht es nicht besser aus. Die Klimaanlage funktioniert nicht, das Internet auch nicht. Das muss ich mir auch für 22 € die Nacht nicht antun. Ich bitte Raphael um eine Empfehlung, aber Hotels sind nicht sein Ding. Also Telefon gezückt, booking.com macht mir bessere Vorschläge. Wenn ich denn schon in der kenianischen Touristenhochburg gelandet bin, will ich es wenigstens etwas netter haben.

Wir versuchen, mit dem Auto Raphael, den Gewerkschafter zum Flughafen zu bringen, aber nach einigen Kilometern im Stop and go wechselt er auf ein Motorradtaxi. Für die 7 km zum Hotel brauchen wir dann noch eine weitere Stunde. An jedem Kreisverkehr, und davon gibt es viele, steht ein einsamer Polizist, der mal gelassen, mal aggressive den Verkehr zu bändigen versucht. Da es nirgendwo abfließt, entstehen an den Kreisverkehren großen Blechknäuel des Stillstands.

Diesmal habe ich mit dem Hotel nichts falsch gemacht: für knapp 80 € die Nacht, inklusive Abendessen und opulentem Frühstück bekomme ich ein tolles Zimmer direkt am Meer. Das genieße ich denn auch für die anstehenden Tage, an denen es auch einiges im Broterwerbsberuf zu tun gibt.

Es ist Dienstag der 10.10. 2017 und pünktlich um 08.30 h treffen wir uns auf dem Parkplatz vor dem Hotel. Mit Philip und Gregory, meinen beiden Fahrern muss ich leider noch mal in die schräge Absteige in die Stadt. Ich habe Netzadapter, Verteiler und Handyladekabel im Zimmer liegen gelassen. Zum Glück alles noch da. Dann fahren wir zur Agha Kahn Acadamy, denn dort arbeitet Tom Abuto, ein Freund, der mir das Ticket für den Zug besorgt hat. Die Akademie wird von einer islamischen Sekte finanziert und ist eine höhere Privatschule. Wenigstens seine Frau will ich treffen und ihr das Geld zurückbringen. Ich betrete einen riesigen Campus mit mehreren Schulen und erlesener architektonischer Gestaltung. Susan ist leider im Unterricht, also gebe ich das Geld bei einer Sekretärin ab. Aber kaum stehe ich vor dem Tor, kommt Susan mir hinterhergerannt und es gibt doch noch ein kurzes herzliches Gespräch.

Am Abend zuvor ist mir eine krasses blaues Fotostudio aufgefallen. Dort will ich gerne hin. Es hat aber leider geschlossen. Meine Begleiter schlagen mir kurzerhand vor, in den Nachbarort zu fahren, wo sie wohnen und bestens vernetzt sind. Zwei dieser Studios besuche ich und porträtiere die Besitzer. Uns begleitet Simon, ein Freund von Philip, der einen Stand zum Verkauf von CDs und Zeitschriften am Rand der Hauptstraße von Kilifi betreibt, und den porträtiere ich natürlich auch noch, stets darauf bedacht, dass keines der vorbeidrängenden Motorradtaxis mir den Rucksack abfährt.

Dann fahren wir wieder ein Stück Richtung Mombasa. Ich möchte gern ein paar Fischer porträtieren. Die beiden kennen sich aus, sagen sie, aber als wir an den Strand kommen, ist von Fischern nicht wirklich was zu sehen. Da gesellt sich ein etwas abgerissener Typ zu uns, barfuß, kurze Dreadlocks. „Ich weiß wo die Fischer sind, bringe Euch gerne hin“ sagt Eric, so heißt der Typ oder er behauptet es, denn das ist ja eigentlich ein guter Trick: der Europäer stellt sich vor und zufällig hat man den gleichen Namen.

Dann stapfen wir los über einen unglaublichen Reiseführerstrand mit Palmen, Felsen, kleinen Hüttchen mit Palmwedeldächern. Wir kommen an meinem Hotel vorbei, eigentlich würd eich jetzt gern die Treppe zu meinem Zimmer nehmen, und in mir steigt eine leise Frustration bezüglich der Ortskenntnis meiner angeheuerten Begleiter hoch. Was kann Eric, was Philip nicht kann? Warum bezahle ich Philip, wenn Eric bestimmt nicht gratis um uns herumschwenzelt?

Schließlich kommen wir am Lagerplatz der Fischer an. Das ist nichts anderes als eine Sammlung armseliger Hüttchen, nix mit Hafen, Kuttern, Molen. „Wie viel willst Du den Fischern denn zahlen?“ fragt mich Eric. „Eigentlich zahle ich erst, wenn ich was bekommen habe“ antworte ich. Eric spricht mit einem der Chefs und meint, ich könne hier fotografieren, was ich will. Das ist mir nicht recht. Ich gehe zu einer der etwas besser aussehenden Hütte. Einer der Insassen hört über sein Handy das Mittagsgebet, murmelt, singt leise mit. Ich frage, ob ich Fisch kaufen könne und ob man den irgendwie zubereiten könnte. „Das mit der Zubereitung übernehme ich“ ruft Eric.

Ich kaufe acht kleine Fische, von denen ich weder weiß, wie sie heißen, noch wie sie schmecken werden. Die Stimmung in der Hütte hellt sich auf. Die Fische werden geputzt und Eric zieht mit den Fischen und unbekanntem Ziel davon.

Jetzt, es ist ca. 15 h, kommt der erste Fischer mit seinem Boot zum Ufer. Es ist ein Einbaum. Ich will fotografieren, wie er anlandet. Philip spricht ihn auf Kisuaheli an, aber er will nicht. Also zurück zu den Leuten in der Hütte. Wir reden inzwischen über alles Mögliche. Die meisten von ihnen haben irgendwann auf großen Trawlern gearbeitet, aber die Bedingungen oft nicht ausgehalten und nach einigen Jahren den Dienst quittiert. Gefischt wird hier mit selbstgebauten Hummerfallen und mit Harpunen. Mit Taucherbrille und Schnorchel sucht man unter Wasser nach Tintenfisch, Moränen und anderen beim Ufer lebenden Fischen. Die Harpune ist nichts anderes als ein Stock mit einer langen Stahlspitze an einem dünnen Seil. Angezogen sind die Fischer mit zusammengestoppelten Neoprenfetzen, alten Pullovern, Mützen. Kein bisschen Taucherromantik.

Die großen Trawler vor der Küste machen das Geschäft kaputt. Die Regierung verbietet das wilde Fischen, denn oft werden die Fische von den Harpunen nur verletzt. Für ein Kilo Fisch gibt es umgerechnet zwei Euro. Ein Tageseinkommen für Ungelernte liegt bei ca. fünf Euro. Oft fangen die Fischer wenig oder nichts. Die Gezeiten lassen das Fischen nur an einigen Stunden am Tag zu.

Schließlich kommen weitere Fischer in abenteuerlicher Montur von Meer zurück. Einer nutzt ein altes Surfbrett mit aufgebauter Snapbox am Heck als Boot. Mehr ist nicht. Es werden gute Bilder und ich zahle allen noch einen Euro Modelhonorar. Der Chef gibt mir seine E-mailadresse. Wir verabschieden uns einigermaßen herzlich.

Auch Eric kommt wieder angeschlurft. Er nimmt uns mit zu einem abenteuerlich aussehenden Straßenrestaurant in der Nähe. Dort sind unsere Fische gebraten worden und es gibt noch etwas Reis und Gemüse dazu. Wasser in Flaschen gibt es nicht, und das aus dem Krug trinke ich lieber nicht.

Die Sonne hat mir etwas zugesetzt, denn mit einem langen Strandaufenthalt hatte ich nicht gerechnet. Also zurück in meine First-wolrd-Blase mit Kellnern, die versuchen Deutsch zu sprechen und Gästen in blauen Unterhemden, die im Restaurant sitzen, als hätte sie sich von der Eigenheimterrasse hierhin verirrt.

Mittwoch 11.10.

Heute habe ich mir vorgenommen, Matatufahrer zu porträtieren und in eine Werft zu fahren. Eine Werft gibt es nicht, Matatufahrer, Tuktukfahrer und Busse aber ohne Ende am Fährhafen in der Altstadt. Philip leitet mich durch das lärmende Gewühl, wir sprechen einige Leute an, fast alle sind einverstanden mit einem Bild. Gleichwohl: man fällt auf als Weißer in den Menschenmassen und zunehmend gesellen sich merkwürdige Typen um uns. Fragen dies, fragen das, alle wollen irgendwie ein bisschen Geld machen, so ist das nun mal. Als ich mit dem Iphone einen kurzen Schwenk drehe, gibt es Diskussionen, die Philip aber gekonnt abwimmelt.

In den Hafen, wo Philip eine Werft vermutet, werden wir gar nicht erst reingelassen, klaro, das wäre in Deutschland nicht anders.

Aber Gregory, mein zweiter Assistent, hat eine Idee: er will mir den Steinbruch zeigen, in dem er früher gearbeitet hat. Zwei Stunden Fahrzeit. Na gut, das Auto habe ich eh für eine Flatrate, fahren wir also.

Auf dem Weg dort hin macht er einen Zwischenstopp an einem überdachten Platz. Erst beim Näherkommen sehe ich: das ist eine Schmiede. Ein umgebautes Fahrrad treibt eine kleines Gebläse an, mit dem in einem einfachen Erdloch Holzkohle angefacht wird. Ausgediente Lkw-Federn, werden hier zu Hacken, Meißeln und anderen einfachen Werkzeugen umgeformt. Drei Männer sitzen auf dem Boden oder auf Steinen und schlagen im Wechsel auf einen kleinen Amboss ein. Einer von Ihnen, vom Funkenflug fast blind, erzählt, wie sie unter der Konkurrenz industriell gefertigter Werkzeuge zu leiden haben.

Dann fahren wir weiter zu dem angekündigten Steinbruch. Ein Straße, die eigentlich nur noch für Lkw taugt, führt durch buschiges Gelände, vorbei an vereinzelten Gehöften. Immer mal wieder hält Gregory an, um alte Bekannte zu begrüßen. Manchmal hupt er vor einen Häuschen so lange, bis der lange nicht gesehene Kumpel aus irgendeiner Richtung aus dem Busch angetrabt kommt.

Wir kommen  an einer Ebene aus Kalktuff an, die ein wenig außerirdisch wirkt. Wie planiert, mit einigen wenigen Absätzen, wirkt das recht große Gelände. Dort stehen Maschinen aus Italien auf Schienen, die schachbrettartig Rillen in das Plateau fräsen. Dann wird umgerüstet und ein horizontales Schneideblatt trennt die Quader vom Grund ab. 10.000 Steine, Quader etwa so groß wie vier Ziegel, werden so pro Tag von einem vergleichsweise kleinen Team hergestellt. Mascha, der Manager, erklärt mir stolz den ganzen Betrieb. Gregory, mein Fahrer, wird durch die Kollegen mit viel Hallo begrüßt und präsentiert stolz den Lkw, den er damals fuhr.

In sengender Hitze treten wir die Heimfahrt an, da stoppt Gregory noch einmal: am Wegesrand eine Grube, in der ein Mann – ebenfalls ein Bekannter von Gregory – mit Beil und Spitzhacke die gleiche Arbeit macht, wie oben die Maschinen. Diese Steine, wie wesentlich unregelmäßiger ausfallen, kaufen die Einheimischen, die die maschinengemachten aus dem Steinbruch weiter oben nicht bezahlen können. Eine Höllenarbeit für einen Hungerlohn.

So etwas wie eine Arbeitslosenversicherung, und auch die anderen üblichen Versicherungen bekommt man nur, wenn man einen richtigen Arbeitsvertrag hat. Aber viele Kenianer machen nur „casual work“ und müssen sehen, wo sie bleiben. Dann heißt es bei Jobverlust: besinne Dich auf alle möglichen Qualifikationen, die du mal gehabt hast, und mache irgendwelche Gelegenheitsjobs. Zumindest meine beiden Begleiter schwören auf die Bedeutung einer guten Bildung.

Auf dem Heimweg reden wir über alles Mögliche. Meine beiden Begleiter sind geschieden. Der eine hat seine Frau verlassen, weil sie nicht schwanger wurde. Der andere wurde von seiner Frau verlassen, weil er mit den Raten für das Brautgeld in Verzug war. Die reichen Eltern seiner Frau sahen die Zeit gekommen, den ungeliebten Schwiegersohn abzustoßen. Jetzt sieht er seine Söhne nur im Abstand von drei Monaten, weil die Frau blockiert. Dass man in Deutschland überhaupt kein Brautgeld zahlen muss, können sich beide kaum vorstellen.

Warum es in Deutschland auch keine Stämme gibt, und die Rangeleien zwischen Sachsen und Preußen nur selten in die Politik durchschlagen, erfordert einen längeren historischen Exkurs: er beginnt bei der französischen Revolution und endet bei der AfD.

12.10.2017

Am Donnerstag will ich morgens mal etwas später los. Ich penne im Auto immer ein und schlafe nachts nicht besonders gut.

An der Rezeption überrede ich noch die Hotelmanagerin zu einem Porträt. Aber es wird nix besonderes und man merkt ihr an, dass sie nicht so recht begeistert ist.

Dann quälen wir uns aus dem Moloch Mombasa. Es geht im Schritttempo durch die Vororte. Das Tempo bestimmen schwer beladene, altertümliche Lkw. Endlich auf der Landstraße, verändert sich so gut wie gar nichts. Durchschnittsgeschwindigkeit 40 km/h. Man zuckelt in endlosen Kolonnen auf einer zweispurigen Straße entlang, die offensichtlich für weniger Verkehr konzipiert war. Es gibt weder Ausweichstellen zum Überholen, noch eine Limitierung der Geschwindigkeit nach unten. Völlig chaotisch wird es an einer Brückenbaustelle, an der der gesamte Verkehr einfach über die umgebenden Felder umgeleitet wird. Eine gigantische Staubwolke deutete dieses Inferno schon von weitem an.

Werden Orte durchquert, erhöht sich die Zahl der Polizisten. Wenn die einen Lkw–Fahrer anhalten und dieser kurbelt entnervt die Scheibe herunter, lautet die gehässige Ansage des Polizisten: „Ich brauche etwas Wasser zum Trinken!“ Wer dann tatsächlich Wasser reicht, wird mit ewigen Kontrollen und Fragen so lange genervt, bis er einige Geldscheine rüberwachsen lässt. Nur so ist vermutlich auch zu erklären, dass Fahrzeuge unterwegs sind, die bei uns innerhalb von Sekunden durch den TÜV rauschen würden.

Die Korruption treibt seltene Blüten. Dass sie auch unter Hochschullehrern grassiert, wusste ich bereits. Dass man aber umgerechnet 1.000 € bzw. drei bis fünf Monatslöhne blechen muss, um beim Eignungstest für die Armee mitmachen zu können, natürlich ohne Erfolgsgarantie, war mir neu.

Auf halber Strecke nach Nairobi machen wir in einem Ort halt. Tanken, was essen. Ich habe mein Tagessoll – mindestens zwei Porträts – nicht wirklich im Kasten. Philip schlägt mir vor, einige der hier in Mtito Andei ansässigen Künstler zu porträtieren. Ich ahne eine nervige Kauf-Mir-was-ab-Nummer, aber werde positiv überrascht. In einer Seitenstraße schauen wir drei Männern zu, die aus riesigen Holzblöcken, mit Sägen, Hacken und Beilen Tierskulpturen fertigen. Ja, das ist eindeutig Touristenware. Aber ich darf ohne großes Gerede fotografieren. Dann bittet mich der Chef zu einer kleinen Verkaufsbude. Jetzt kommt es, denke ich. Statt dessen soll ich mir aus einem der Körbe eine kleine Skulptur aussuchen, als Geschenk. Ich nehme den kleinsten Elefant, den ich finden kann und gehe zum Auto. Als ich mit einem Bündel Damenstrumpfhosen für die Frauen der Künstler zurückkomme ist die Begeisterung groß.

Aber mehr als die bekannte Souvenierproduktion interessiert mich das Treiben auf der anderen Straßenseite. Dort steht eine lange Reihe selbstgebastelter Buden, in denen gefühlt immer das Gleiche verkauft wird: Getränke, einige kleine Früchte, Handyguthaben. Ein der Budenbesitzerinnen lässt sich porträtieren. Wir kaufen ihr zum Dank drei Flaschen Wasser ab. Als sie wegen Wechselgeld mit einem großen Schein zu den Nachbarn geht, wird ein wenig Neid entfacht. Und als ich anfange, einige verschlossene Buden zu fotografieren, gibt es unwirsche Fragen. Philip wimmelt auch diesmal alles ab. Ohne ihn und mit den miserablen Englischkenntnissen des einfachen Volkes sähe ich ziemlich alt aus.

Eigentlich wollte ich heut so weit kommen, dass Nairobi hinter mir liegt, mehr als die halbe Strecke wäre das auf dem Weg nach Nakuru gewesen. Doch der zähe Strom lichtet sich kaum. Also buche ich kurz vor Nairobi, in Zaith River ein Hotel. Mache ich halt morgen Vormittag noch ein paar Termine in Nairobi. Das Hotel sieht bei booking.com aus wie eine Landhotel in pastoraler Umgebung. Inzwischen ist es dunkel, der Regen vor Nairobi wird immer stärker, der Scheibenwischer kann nur noch Intervallschaltung. Straßenbeleuchtung, Markierungen, Wegweiser: alles Fehlanzeige. Aber das Navi in meinem Iphone bringt meine beiden Begleiter zum Schwärmen. Wir wuseln uns durch eine Autobahnkreuz, fahren in die richtige Seitenstraße, wuseln uns durch einen stockdunklen Slum mit Pfützen wie Mondkrater und stehen schließlich vor einer hohen Mauer. Dahinter große Bäume und ein Haus, an dem kein einziges Fenster erleuchtet ist. Booking.com und mein Navi sagen: hier muss es sein. Der Blick in die verregnete Nacht sagt was anderes. Also anrufen. Das Telefonat übernimmt Philip, er ist den Akzent, gemischt mit Kishuaheli, einfach länger gewöhnt als ich. Die Dame von der Rezeption gibt die Koordinaten durch, sie sendet eine Pin, also GPS-Koordinanten, die ich dann bei Google-maps sehen kann. Immerhin -wir haben uns nicht drastisch verfahren. Es ist auch von da wo wir sind, nicht weit zum Hotel. Nur wo ist der Eingang. Als ich im Dunkeln das Fenster runterkurble um einen jungen Mann nach dem Weg zu fragen, gibt Gregory Gas. Das Landhotel, das ich erwartete, liegt direkt neben der Autobahn. Es ist kühl, es regnet immer noch, wir checken ein.

Das Etablissement hat seine besten Tage hinter sich ist aber ganz ok. Wir essen noch eine Suppe in der leeren Bar. Neben uns rattern zwei Kühlschränke, vor uns laufen zwei Fernseher, auf jedem ein anderes Programm. Ich will nur noch ins Bett, telefoniere dann aber doch noch mit meinem Simon.

Freitag der 13.10.2017

Es ist nicht nur die Autobahn, die dem Hotel den Charme nimmt, es ist vor allem mal wieder der Muezzin, der morgens um 5 losjammert. Eine Stunde später wummern irgendwo Bässe mit lauter Musik. Erst dachte ich an ein getuntes Auto, das mal kurz im Stau steht, aber das Wummern ging nicht weg. Also wieder zeitig aufstehen. Ich versuche einen Tag zu planen: einen Termin bei Fat Boy Animations, mit dem Manager hatte ich vorige Woche telefoniert, da war er aber nicht in Nairobi. Mit dem Gewerkschafter/Unternehmer Raphael treffen, der auf irgendeiner Konferenz ist, Johanna von den Dentists for Africa abholen, damit sie mit uns nach Nakuru fahren kann. Problem nur: wo fahre ich zuerst hin, wo genau sind die drei Leute in Nairobi, schaffe ich das überhaupt mit dem ganzen Stauzeugs. Johanna wohnt bei den Fat Boys um die Ecke. Raphael meldet sich erst nicht, seine versprochene „Pin“ kommt nicht, dann telefonieren wir und er sagt, er sein im Parlamentsviertel, mitten in down-town, null Parkplätze, viel Polizei, nix mit auf der Straße fotografieren – da will ich eigentlich nicht hin.

Im Glaspalast der Fat Boys sind wir trotz Stau pünktlich und auf andere Weise wieder ne halbe Stunde zu zeitig, denn Mike lässt auf sich warten. Immerhin bekommen wir Getränke und was zu essen. Das Büro der Fat Boys ist eine winzige Bude, untergemietet die DHL. Ich weiß nicht so recht, wo ich mich mit meiner Linse hinquetschen soll, Gegenlicht aus dem Fenster, Blitz aufbauen, entsprechend wird das Bild. Nicht so der Brüller. Aber wir haben einige gemeinsame geschäftliche Themen besprochen, ich kann wieder mehrere Leute verknüpfen, das ist doch auch gut.

Es ist inzwischen so spät, das ich für die Absage an Raphael eine gute Begründung habe. Johanna kommt mit dem Taxi. Zu viert fahren wir los Richtung Nakuru. Ich will unterwegs noch mal Pause machen, Bilder in Sägewerken, die die Strecke durch das Gebirge säumen. Die anderen wollen lieber vor Einbruch der Dunkelheit in Nakuru sein. Die üblichen 40 km/h lassen uns keine Wahl.

Jetzt sitze ich in einer Klause in der Bezirksparteischule des hiesigen Bistums. Morgen ist hier ein Seminar mit den Erwachsenen aus unserem Patenschaftsprojekt. Draußen rumpelt der Wind am Dach, Regen prasselt aufs Blech, von ferne heult Musik, die LKWs vom Steinbruch fahren noch ewig lange vorbei. Ab und zu fällt der Strom aus.