Am Samstag habe ich zusammen mit Johanna von den Dentists for Africa ein Seminar für einig eunserer erwachsenen Patenkinder gemacht. Mein Part: Netzwerk und Strategien bei der beruflichen Karriere, Buesinessplanentwicklung. Hie reinige Eindrücke von der Veranstaltung:

Der Sonntagnachmittag war wirklich schön. Wir sind ein Stück mit dem Auto gefahren und dann eine steile Anhöhe an den Rand des Menengai-Kraters hochgestiegen. Das sind vier Kilometer und man hat einen tolle Ausblick in verschiedene Himmelsrichtungen. Hier war ich 2011 schon mal, aber meine Kenianischen Begleiter kannten dieses Naturwunder überhaupt noch nicht.

Der Menengai Krater ist der sechstgrößte Vulkankrater der Welt, sein Rand erreicht eine Höhe von mehr als 2.200 m, er ist 500 m tief und hat einen Durchmesser von 12 km. Kurz vor dem Gipfel wollte ich ein gutes Werk tun und habe entlang des Weges fleißig Plastikmüll gesammelt. Als ich mit zwei reichlich gefüllten Händen auf dem Gipfel ankam, musste ich nicht nur feststellen, dass gleich hinter der ersten Souvenierbude eine beachtliche wilde Müllkippe ist. Dann wurde ich von einem Ranger begrüßt, der uns ca. 10 € Eintritt abkassierte. Meinen Vorschlag, mir für das Müllsammeln einen Rabatt zu geben, wollte er nicht so recht wahrhaben. Auch die Hinweise, dass Naturschutz was mit wilden Müllkippen zu tun haben könnte, die er doch mal auf kurzem Wege inspizieren könnte, half nicht. Philip und Gregory, meine Begleiter, haben jedenfalls herzlich gelacht.

Den Rest des Sonntags habe ich mit Recherchen verbracht. Wo gibt es größere Firmen in Nakuru, der viertgrößten Stadt von Kenya? Erste Erkenntnis: die haben oft keine Websites mehr oder diese sind veraltet. Alles läuft nur noch über Facebook. Harte Zeiten für Webdesigner. An zehn Firmen schreibe ich E-mails bzw. Facebooknachrichten. Die einzige, die sich meldet, ist Caroline, die eine Facebookgruppe für Unternehmerfrauen gegründet hat. Mit Ihr will ich mich treffen und sie will mich mit einigen Leute in Kontakt bringen.

Doch der Montag beginnt ganz anders. Wir fahren nämlich erst mal auf der Straße nach Nairobi zurück zu einem Haus, dass mir auf der Hinfahrt aufgefallen ist, das aussieht wie ein mutiger Entwurf für ein Hotel, dass mir aber unter einigem Gelächter von Gregory, meinem Fahrer, als Bestattungshaus vorgestellt wurde.

Auf drei Etagen befinden sich Feierhallen, Kühlzellen, Sargausstellung, Kantine, Dachterasse, Leichenwaschräume. Alles megaedel und nagelneu. Mit der anwesenden Empfangsdame, die mit uns eine Führung macht, reden wir lange über Bestattungskultur, Umgang mit Alten, dem Verhältnis zum Tod. Endlich kommt der Chef. Aber er hat keinen guten Tag. Sein Auge tränt und er will keine Fotos. Ein wenig sauer bin ich, als er mir pauschal unterstellt, dass ich so wie alle Europäer nur die schlechten Seiten Kenyas zeigen will. Dann lässt er uns einfach wortlos stehen, nun ja.

Auf der Rückfahrt dann ein kleiner Lichtblick. Ein neues großes Sägewerk dürfen wir fotografieren. Während die Managerin noch überlegt, ob das ok ist, bohrt sie nervös in beiden Nasenlöchern. Ihre Firma läuft gut und die Baubranche boomt.

In der Stadt treffen wir uns mit Caroline. Sie will mir einige Unternehmerinnen vorstellen. Große Firmen hat sie leider nicht zu bieten. Einzig mit einer großen Geste, kann sie uns erklären, wie wir zum Gewerbegebiet kommen – die Straße immer gerade aus. Aber immerhin – so sagt sie – hat ihre Facebook-Gruppe 500 Mitglieder. So gehen wir als erstes zu ihrer Freundin Beatrix, die auf 4 qm mit gebrauchten Schuhen, Koffern und Kleintextilien handelt. Die Bude ist quasi nach vorn offen wie eine Kiste ohne Deckel. Neben ihr 20 weitere Buden mit gefühlt demselben Sortiment.

Dann geht es weiter zu einem großen Textilgeschäft. Es wird von 20 Frauen gemeinschaftlich betrieben, jede hat quasi ein paar Meter Regelstange oder Wand, was man auf den ersten Blick gar nicht sieht. Etwa fünf sitzen in dem Laden herum, eine winzige Ecke am Eingang ist an einen Handyminutenverkäufer verpachtet, der mir Strom für den Blitz bereitstellt. Als erstes stellt sich Lucy vor die Linse in einer Art Leopardenfell-Jumper. Dann will auch eine Kollegin noch porträtiert werden, viel Gelache. Hier, denke ich, bekomme ich vielleicht Kotakt zu Modedesignern oder kleineren kenianischen Labeln. Aber weit gefehlt, alles, was hier hängt, auch wenn es irgendwie afrikanisch aussieht, wird in China gefertigt oder kommt aus den Altkleidersammlungen Europas.

Dann ziehen wir mit Caroline weiter zu einem neu eröffneten Handyshop. Am Eingang lungern erstaunlich viele hübsch Damen herum, klar zielgruppenorientiert. Viel Licht, interessantes Interieur, nicht ganz so „kenianisch“. Als ich der Chefin vorschlage, gleich die ganze Mannschaft zu porträtieren, gibt es ein großes Hallo. Hat sich gelohnt.

Wenn ich denn schon mal ortskundig durch die Innenstadt von Nakuru geführt werde, will ich endlich mal einen Buchladen fotografieren. Als ich mich als Buchliebhaber vorstelle, erst mal freundliche Reaktionen. Aber der Chef ist nicht da, bitte mal in einer Stunde wiederkommen. Diese will ich nicht vertrödeln, statt dessen verabschiede ich mich von Caroline, drücke ihr noch 4 € in die Hand (ihr durchschnittliches Tageseinkommen), dann fahren wir ins Gewerbegebiet.

Auf meine Mails vom Vortag hat niemand geantwortet. Also fragen wir einfach bei Pförtnern, ob da was ginge mit Porträts vom Chef, wenn die Firma halbwegs vielversprechend aussieht. Drei mal blitzen wir ab. Aber zweimal schaffe ich es in die entscheidenden Vorzimmer, einmal sogar zur Chefin selbst. Aber alle müssen irgendwelche Vorgesetzte fragen. Ich soll mein Projekt noch mal kurz per E-mail beschreiben. Morgen dann vielleicht. Vor dem Werktor noch schnell ein Porträt vom Scherenschleifer mit umgebautem Fahrrad. Er freut sich und bedankt sich überschwänglich für ein kleines Honorar.

Na gut, zurück in den Buchladen und Geld holen. Im Buchladen ein anderer Typ, der meint, der Text meines Modelreleas sein unfair. Ich erkläre und widerspreche. Er murmelt. Ja, er müssen den Chef fragen. Ich laufe so lange im Laden rum und stelle fest: hier gibt es 90% Schreibwaren und Schulbücher, 5% Bibeln und 5 % Literatur der anspruchslosesten Sorte, mal so auf Regalmeter geschätzt. Die Einladung ,morgen noch mal anzurufen, nehme ich lächelnd zur Kenntnis, Vergiss es, Junge.

Abends dann stundenlang Telefonkonferenzen mit Jan und Wenzel zu Jan Zychlinskis Buch. Das läuft nicht völlig geräuschlos nebenher. Wenzel schlägt sich wacker. Der Termin für die Präsentation am 11.11. scheint nicht gefährdet. Beginn einer neuen Fotografiereihe im Hörbild-Verlag.

Dienstag 17.10.

Gleich morgens fahren wir zu Joyce, der Chefin vom großen kenianischen Saatguthändler „Kenya Seeds Ltd.“. Und Täterä – sie ist einverstanden mit einem Porträt und unterschreibt auch anstandslos das Modelrelease. Ich reiche eine Strumpfhose und kleine Cremetuben über den Schreibtisch, da gerät sie ganz aus dem Häuschen.

Dann weiter zu einer Firma für Betonfertigteile. Ich warte mich mit Philip durch zwei Vorzimmer. Nach einer guten halben Stunde (immerhin mit aktueller Zeitung – darin mehren sich die Stimmen derer, die zu Besonnenheit aufrufen, auch von der Opposition) empfängt mich die Chefin. Ich erkläre ihr alles, sie verschwindet mit dem Modelrelease für 5 Minuten im Nebenzimmer. Das wars, denke ich schon, da bittet sie zum Chef. Stämmiger Kerl, Mitte vierzig, das Eis bricht schnell als wir über den Unterschied von deutschen und chinesischen Baumaschinen reden. Das Gespräch endet mit dem Versprechen, in Deutschland mal nach gebrauchten Baumaschinen zu recherchieren. Er will mir eine Wunschliste schicken oder gleich selbst mal nach D fliegen. Das Bild auf dem Hof geht so. Die Chefin hält sich für eine talentierte Fotografin, gibt Ratschläge, posiert. Es dürfen auf keinen Fall Maschinen auf das Bild, denn das könnte das Finanzamt neugierig machen. Aber alles ist im Kasten, endlich mal eine Firma mit 200 Angestellten.

Es ist Mittag und wir nehmen die Straße nach Kericho. Die windet sich nagelneu und staufrei durch die Berge, alles ist grün und voller Bäume, schöne Täler, Wälder, Plantagen aller Art. Je näher wir der Stadt kommen, desto häufiger säumen Teeplantagen die Straße. Bald treffen wir auf eine herrschaftliche Villa vor einer Teeverarbeitungsfabrik. Mir gelingt es, bis zum Chef vorzudringen. Ein netter Mann um die vierzig, der mein Projekt sofort versteht und auch gut findet. Er willigt in ein Porträt ein. Aber ich soll ihn tags drauf noch mal anrufen, wegen der Zustimmung des Managements. Das ist doch mal was optimistisches. Abends, es ist schon dunkel, mache ich noch ein Porträt vom Manager der Tankstelle gegenüber, einem Mann mit indischen Wurzeln.

In Kericho habe ich ein von den Briten 1948 gebautes Hotel gebucht. Leider entpuppt sich der kleine Pavillon, den ich bewohne mal wieder als unverschämter Flopp. Für 80 $ die Nacht wird da runtergekommener Charme geboten. Träge Bedienstete schlurfen durch die Hallen. Heute stelle ich, nachdem die Klospülung den Geist aufgab, den Manager freundlich aber bestimmt im Rahmen einer kleinen Zimmerbegehung zur Rede. Ich betone, dass ich nicht der belehrende Europäer sein will, das mir aber einfach viele, viele Kleinigkeiten auffallen, die sich vielleicht schon weggeguckt haben. Ich erspare uns an dieser Stelle mal eklige und brandgefährliche Details. Der Mann stimmt mir zu und letztlich einigen wir uns auf 30% Preisnachlass.

Nach dem Frühstück gehe ich mit meinen Assistenten in das benachbarte nagelneue Autohaus mit allem Drum-und-dran. Ein fetter Glaspalast. Netter Empfang, aber Entscheidung erst morgen, wenn die Chefin wieder da ist. Dann rufe ich Philip, den Teemanager an und der muss leider alle Termine absagen, denn auf den Teeplantagen ist ein Streik ausgebrochen.

Also telefoniere ich mit Apollo. Das ist ein Mann Anfang 50, der uns gestern Abend auf eine etwas schmierige Art im Hotelrestaurant abgesprochen hat. Apollo arbeitet in der Stadtverwaltung. Er hat ein Treffen angeboten, er wolle mich mal einigen Leuten vorstellen. Eigentlich nicht so mein Fall. Als wir in die City fahren, werde ich endlich mal von einem dieser dicken, korrupten Polizisten angehalten. Ich kurble die Scheibe runter. „Na, wie geht’s? Wo wollen wir denn hin?“ „Ich habe einen Termin beim lokalen Gouverneur“, antworte ich, und darf sofort weiterfahren.

In der Stadtverwaltung werde ich von einem Uniformierten erwartet und mit Philip gleich zum Chef irgendeiner Abteilung gebracht, dem Vorgesetzten von Apollo. Was auch immer dieser Herr macht, er hat sich Mühe gegeben, mir eine Liste interessanter Unternehmen aufzuschreiben. Neben ihm die dicke Marketingchefin, die das auch alles toll findet. Und dann ordnet der Chef an, dass mich Apollo überall hinbringen soll, quasi als persönlicher Begleiter. Der erscheint dann auch und wir fahren erst mal wieder ins Hotel. Dann wird eine Stunde lang wichtig getan, über alles mögliche Zeug gelabert und gefragt. Wie es mit einem driekten Export von Tee nach Deutschland laufen könnte, denn Apollo hat eine kleine Teeplantage. Ob ich Kontakte zu deutschen Sicherheitsfirmen herstellen könnte, das sei ein total toller Markt in Kenia, aber leider sind die ausländischen Wachdienste so erfolgreich. Wenige Minuten später steht ein bulliger Typ am Tisch, der sich als der ideale Kooperationspartner für expansionswillige deutsche Wachdienste anbietet. Ich schlage da gleich mal ein Porträt vor, denn erst ist Chef eines Wachdienstes mit zeitweilig 200 Arbeitskräften – je nach Saison und Sicherheitslage. Das Porträt will er nicht so recht, auch als ich ihm eine Karriere als der neue James Bond verspreche, wenn sein Bild erst mal in Deutschland veröffentlicht ist.

Endlich fahren wir wieder in die Stadt und machen halt vor dem Rest des berühmtesten Kenianischen Plattenlabels, gegründet 1958: Chandara Records. Von diesem einst bedeutenden Label für afrikanischen Jazz und traditionelle Musik ist nur noch der Gründer übrig, wohl in biblischem Alter, und der ist leider nicht da.

Wenig später stehen wir in einer abenteuerlichen Werkhalle. Der indische Besitzer lädt mich für morgen früh zum Shooting ein und bietet auch gleich noch die Besichtigung seiner Teefabrik vor den Toren der Stadt an. Ein langsam fälliger Lichtblick, denn heute wird der Tag porträtlos enden.

Bleibt mir für den heutigen Tag nur noch die Fahrt zu meinem Patenkind. Felix ist völlig verdattert, als er zu mir gebracht wird. Die Schuldirektorin lobt seine Disziplin. Felix wird nächstes Jahr mit der Schule fertig und will dann Informatik studieren. Dann wären drei von meinen vier Söhnen in dieser Branche gelandet bzw. wollen da rein. Wir gehen in ein nahegelegenes Restaurant, und als er den Beutel mit Simons abgelegten Sachen auspackt, strahlen seine Augen. Da einer meiner Begleiter, Philip, dem gleichen Stamm wie Felix angehört, er ist ein Luo, ist die Kommunikation etwas weniger verkrampft als bei unserer letzten Begegnung. Gleichwohl, es gibt nicht so viel zu erzählen, wenn man sich eigentlich kaum kennt. Bei dem Versuch, mit Simon eine kurze Videoschalte zu machen, reiße ich meinen Süßen in Amerika leider aus dem Schlaf. Entsprechend verknautscht ist Simon drauf. Ich gebe Felix etwas Geld für den Handytarif, wir machen noch ein Foto und dann setzt auch schon eines dieser täglichen Gewitter ein und wir fahren zurück nach Kericho.

Nun sitze ich in meiner langsam kalt werdenden abgeranzten Hütte und warte auf den morgigen Tag. Es bleibt spannend.